Vertrauliches Protokoll belastet Berliner Polizeipräsidenten
Saberschinsky ignorierte Warnungen vor Sturm auf israelisches Konsulat Momper verlangt Rücktritt von Innensenator Werthebach
von Tobias Miller und Christine Richter
BERLIN, 21. Mai. Die Berliner Polizeiführung ist wegen des Sturms
kurdischer Demonstranten auf das israelische Generalkonsulat in Berlin
massiv unter Druck geraten. Nach einem Telefonprotokoll, das der "Berliner
Zeitung" vorliegt, hatte Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU)
den Berliner Polizeipräsidenten Hagen Saberschinsky bereits einen
Tag vor der versuchten Konsulatsbesetzung darauf hingewiesen, daß
auch israelische Einrichtungen gefährdet seien. Saberschinsky lehnte
das Angebot, auch den Bundesgrenzschutz einzusetzen, jedoch ab. Der Berliner
SPD-Spitzenkandidat Walter Momper forderte am Freitag den Rücktritt
von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) und Staatssekretär Böse.
Bei den Protesten am 17. Februar waren vier Kurden ums Leben gekommen.
Dem Protokoll zufolge riet Böse am Dienstag, dem 16. Februar, im Anschluß
an eine Schaltkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern dem
Polizeipräsidenten beim Schutz israelischer Einrichtungen zur "Sensibilisierung".
Daraufhin sagte Saberschinsky laut Protokoll: "Ja, ja, ja, ist gut, o.k.
Wir schützen die ganze Welt." Das Angebot des Bundesinnenministeriums,
für den Objektschutz den Bundesgrenzschutz (BGS) bereitzustellen,
lehnte er ab: "Im Moment mal nicht." Saberschinsky bezeichnete die Veröffentlichung
des Telefonprotokolls am Freitag als "empörende Kampagne" gegen die
Polizei. Das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen, sagte er. "Wenn sich
Werthebach und Böse mit einer solchen lapidaren Antwort des Polizeipräsidenten
zufriedengegeben haben, sollten sie sofort ihren Hut nehmen", sagte Momper
der "Berliner Zeitung". Das Bonner Angebot, der BGS könne den Ländern
beim Schutz gefährdeter Objekte helfen, gehe über die von Werthebach
behauptete "pauschale Warnung" weit hinaus. Momper: "Bei Werthebach und
Böse ist die innere Sicherheit nicht mehr in den richtigen Händen."
"Abstrakte Warnhinweise"
Der Innensenator bestätigte am Freitag, daß dieses Telefonat
so stattgefunden habe. Werthebach war als erster Zeuge vor den Untersuchungsausschuß
des Abgeordnetenhauses geladen worden, in dem die Vorfälle im Generalkonsulat
geklärt werden sollen. Am 16. Februar habe jedoch kein "konkreter
Gefährdungshinweis" auf die Besetzung des Konsulats vorgelegen, sagte
Werthebach. Einen solchen Hinweis habe es erst am 17. Februar um 13.20
Uhr gegeben. Bis dahin seien nur "abstrakte Warnhinweise" eingegangen.
Diese seien vom Bundeskriminalamt (BKA) ohne Einschätzung und Qualifizierung
nach dem Motto "Melden macht frei" weitergegeben worden, so Werthebach.
Der Innensenator betonte mehrfach, daß er es nicht als seine Aufgabe
ansehe, in die Polizeitaktik einzugreifen: "Ich lege doch nicht fest, wo
welcher Polizeibeamter eingesetzt wird." Auch die "Gefahreneinschätzung"
sei Aufgabe der Polizeiführung. Die Bemerkung des Polizeipräsidenten,
man schütze die ganze Welt, bezeichnete der Innensenator als "flapsig".
Man müsse an solchen Tagen den Zustand der Verantwortlichen sehen,
die von allen Meldungen erhielten. Vor dem Untersuchungsausschuß
wird voraussichtlich am 2. Juli Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) aussagen.