Bei der Abschiebung einen Nasenbeinburch erlitten
Kurde wird nach Handgemenge mit BGS-Beamten verletzt ins Krankenhaus
gebracht - und taucht ab Wenn Grenzpolizisten abgelehnte Asylbewerber ins
Flugzeug bringen, kommt es häufig zu Konflikten. Viele Abgelehnte
wehren sich. Jetzt erlitt ein Kurde einen Nasenbeinbruch.
Polizei und der Kurde schildern den Vorfall in unterschiedlichen
Versionen.
Von unserem Reporter
BERND HAUSER
Yezdan Jiyan (Name von der Redaktion geändert) erzählt
seine Version. Er spricht von Polizei-Kellern in Istanbul. Dort würden
die Gefolterten nach Allah schreien, während sie von einem Spruch
an der Wand verhöhnt werden: ¸¸Hier gibt es keinen Gott,
und der Prophet ist im Urlaub.“
Jiyan sagt, er habe die türkischen Sicherheitskräfte vor
drei Jahren kennengelernt. Nachdem der Kurde 1992 vor dem Wehrdienst nach
Deutschland geflohen war, weil er ¸¸nicht auf das eigene Volk
schießen wollte“, wurde er 1996 abgeschoben. Auf dem Flughafen in
Istanbul habe ihn Polizei empfangen. Vier Monate lang sei er festgehalten
und immer wieder mit Schlagstöcken malträtiert worden. Dann habe
ein Polizist gesagt: ¸¸Wenn du als Spitzel arbeitest, lassen
wir dich raus.“ Auf freien Fuß gelassen, floh Jiyan zurück nach
Deutschland.
Das Bundesamt für Flüchtlingswesen lehnte seinen Asylfolgeantrag
nun ab. Daß die Freundin Jiyans im siebten Monat schwanger ist, spielt
juristisch keine Rolle. Das Regierungspräsidium verfügte die
Abschiebung, Polizeibeamte holten den 26jährigen an einem Montagmorgen
um 7.30 Uhr in seiner Wohnung ab und übergaben ihn auf dem Flughafen
dem Bundesgrenzschutz (BGS). Ein routinierter Ablauf: Allein im laufenden
Jahr sind 643 Personen vom Stuttgarter Airport aus abgeschoben worden,
davon 342 türkische Staatsangehörige.
Ob ein Kurde bleiben darf, sei Glücksache - je nachdem, welche
Kammer am Verwaltungsgericht Stuttgart den Fall bearbeite, sagt Roland
Kugler. Der Rechtsanwalt, der zahlreiche Asylbewerber vertritt, berichtet
von zwei kurdischen Brüdern. Der eine durfte bleiben. Sein Richter
argumentierte:
¸¸Er stammt aus einem Dorf, dessen Bewohner schweren
Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.“ Der andere Bruder wurde ausgewiesen.
In der Westtürkei könne er leben ohne verfolgt zu werden, befand
der Richter einer anderen Kammer.
Jiyan sagt, er befürchte in Istanbul noch Schlimmeres als bei
der ersten Abschiebung. Zurückgeschickte Kurden würden als PKK-Terroristen
gelten. Ihnen würden Kabel an Zähne und Penis gelegt und unter
Strom gesetzt, sagt Jiyan. Die Gangway zur Maschine der Turkish Airlines
kam ihm vor wie die Stufen zum Schafott. Weil er sie nicht hinaufwollte,
hätten fünf BGS-Männer ihn gebunden und die Gangway im Polizeigriff
hochgeschleppt. Dabei habe ihm ein Beamter mit großer Wucht das Knie
ins Gesicht gestoßen. ¸¸Absichtlich“, sagt Jiyan.
BGS-Sprecher Harald Trautmann stellt den Vorgang anders dar. Jiyan
habe einen Beamten ¸¸als Drecksau“ beleidigt und sich gewehrt.
Ein Grenzschützer habe Abschürfungen erlitten. Im Handgemenge
habe Jiyan ¸¸seinen Kopf an den Handlauf der Gangway gestoßen“.
Die Beamten hätten sich ¸¸korrekt verhalten“. Ihr Dienst
sei ¸¸sehr belastend“. Durchschnittlich leiste jede zweite
Woche ein abgelehnter Asylbewerber Widerstand. Die Beamten hätten
Angst um ihre Gesundheit:
¸¸Da ist der Puls auf 180.“
Im Flugzeug sei die Nase dick geworden, erzählt Jiyan. Vor lauter
Blut habe er keine Luft bekommen, er sei ohnmächtig geworden. Der
Pilot brach den Start ab. Sanitäter brachten Jiyan in die Intensivstation
der Paracelsus-Klinik nach Ostfildern. Einen Tag später wurde er auf
eine normale Station verlegt. Von dort flüchtete er, tauchte unter.
Die Polizei fahndet nach ihm.
Eigentlich müßte Yezdan Jiyan ins Krankenhaus zurück.
¸¸Die Nase ist jetzt krumm“, sagt er, ¸¸aber das
ist besser als in der Türkei zu sein.“