Die Verkündung seines Todesurteils soll Öcalan denn doch
erleben
Der Vorsitzende Richter rechtfertigt die Abschottung des PKK-Chefs
während des am Montag beginnenden Prozesses
Von Gerd Höhler (Athen)
"Eine Farce" nennt Ahmet Zeki Okcuoglu, Verteidiger des PKK-Chefs Abdullah
Öcalan, den gegen seinen Mandanten angestrengten Prozeß. Das
Verfahren soll am Montag auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer
beginnen. Es könnte mit einem Todesurteil enden.
Spekuliert wird jetzt über eine mögliche Verschiebung des
Verfahrens. Ministerpräsident Bülent Ecevit möchte
gern mittels einer Verfassungsänderung die Militärrichter aus
dem Staatssicherheitsgericht verbannen und damit einen leidigen Kritikpunkt
ausräumen. Voraussetzung dafür wäre, den Prozeßbeginn
um mindestens einige Tage zu verschieben. Die Entscheidung darüber
läge beim Staatssicherheitsgericht selbst. Daß es dem Premier
entgegenkommt, gilt aber nicht als sehr wahrscheinlich.
Wann immer der Prozeß beginnt, ob mit oder ohne Militärrichter,
"Öcalan ist längst verurteilt", ist dessen Verteidiger Okcuoglu
fest überzeugt. Noch nie in seinem Berufsleben sei er als Anwalt derart
erniedrigt worden. "Ich habe Angst, wenn ich schlafe, Angst, wenn ich das
Telefon abhebe, Angst, wenn ich auf der Straße bin." Seit Wochen
klagen auch die anderen Öcalan-Anwälte über massive Behinderungen
ihrer Tätigkeit, Einschüchterungsversuche und sogar Mißhandlungen
durch die Polizei.
Harte Kritik üben die Verteidiger auch an den Bedingungen, unter
denen der Prozeß stattfinden soll. Öcalan wird in einem schußsicheren
und schalldichten Glaskasten sitzen. Mit seinen Anwälten wird er deshalb
während der Verhandlung keinen unmittelbaren Kontakt haben. Ökcuoglu
zog sich deshalb demonstrativ von der Verteidigung zurück und forderte
seine Kollegen auf, seinem Schritt zu folgen und ihr Mandat niederzulegen.
Viele der mehr als 100 Öcalan-Anwälte wollen dennoch weitermachen.
Öcalan soll sich für den Tod von mehr als 9800 Menschen verantworten,
die laut Anklage seit 1984 von der PKK ermordet wurden. Er gilt als
der
"Staatsfeind Nummer 1". Die Öffentlichkeit erwartet, daß
die Richter zum Schluß des Prozesses ihre Bleistifte über den
Akten zerbrechen werden - die traditionelle Art in der Türkei, Todesurteile
zu verkünden.
Richter Turgut Okyay, der Vorsitzende Richter, rechtfertigte die Sicherheitsvorkehrungen.
Der Glaskäfig, in dem Öcalan sitzen werde, existiere "überall
in Europa". Er diene dazu, "das Leben des Angeklagten zu garantieren".
Öcalan werde einen fairen Prozeß erhalten.
Sein Todesurteil soll der PKK-Chef noch erleben. Hoffnungen, die Todesstrafe
könnte zuvor noch abgeschafft werden, haben sich zerschlagen. Ecevit
will die Reform zwar durchziehen, aber erst nach dem Öcalan-Verfahren.
Zwar ist die Todesstrafe seit 1984 nicht mehr vollstreckt worden, aber
Vertreter der rechten Nationalistischen Bewegung (MHP), die an der nächsten
Regierung beteiligt sein wird, haben bereits klargemacht, daß sie
die Hinrichtung des PKK-Chefs durchsetzen wollen. Auch in den anderen Parteien
gibt es Befürworter einer Hinrichtung. Stimmen Parlament und Präsident
Süleyman Demirel zu, würde das Urteil auf der Gefängnisinsel
Imrali vollstreckt. Es wäre nicht die erste Hinrichtung dort. 1961
wurden hier der ein Jahr zuvor durch einen Militärputsch gestürzte
Ministerpräsident Adnan Menderes und zwei seiner Minister gehenkt.