Kurden-Führer Anwalt Öcalans vor Prozeßbeginn angeklagt
öhl ATHEN, 25. Mai. Einer der Verteidiger von Abdullah Öcalan
- der PKK-Chef muß sich ab Montag wegen Mordes und Hochverrats vor
Gericht verantworten - ist jetzt wegen Unterstützung der verbotenen
Kurdenpartei PKK angeklagt worden. Nach einem Bericht der Istanbuler Zeitung
Sabah soll Anwalt Niyazi Bulgan versucht haben, Dokumente und eine Videokassette
zum Fall Öcalan nach Belgien zu „schmuggeln“.
An der Verteidigung Öcalans, dem im Falle eines Schuldspruchs
die Hinrichtung droht, wollen sich über 100 Anwälte beteiligen.
Einige von ihnen berichteten in den vergangenen Wochen über Einschüchterungsversuche
und Mißhandlungen durch die Polizei. Kritik übten sie jetzt
auch an den Umständen, unter denen ab Montag auf der Gefängnisinsel
Imrali verhandelt werden soll. Öcalan wird in einem schußsicheren
und schalldichten Glaskasten sitzen. Die Anwälte sehen darin eine
Verletzung der Rechte des Angeklagten, der während der Verhandlung
keinen unmittelbaren Kontakt mit seinen Verteidigern haben werde. Aus diesen
Gründen will der Hauptanwalt Ahmet Zeki Okcuoglu nicht am Prozeß
teilnehmen, weil er „mit dieser Farce nichts zu tun haben“ wolle, wie er
am Dienstag erklärte. Er forderte die anderen Anwälte auf, seinem
Schritt zu folgen. Unterdessen gibt es in der Türkei wachsende Besorgnis
wegen befürchteter Terroranschläge der PKK. Das Justizministerium
in Ankara mahnte am Dienstag die Bediensteten zu erhöhter Wachsamkeit.
In Mudanya, der Hafenstadt am Marmarameer, von der aus zur Gefängnisinsel
Imrali übergesetzt wird, verschärfte die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen.
Die beteiligten Richter und Staatsanwälte trafen schon am Dienstag
auf Imrali ein. Man rechnet damit, daß Mitte Juni ein Urteil gesprochen
wird.