«Imrali soll Öcalans Grab werden» - PKK-Führer zeigt sich kooperativ
Von Claudia Steiner, dpa
Mudanya (dpa) - Der einst so mächtige Kurdenführer Abdullah Öcalan zeigte sich am ersten Verhandlungstag seines Prozesses auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer eingeschüchtert. Die dunklen Augen wandern nervös im Gerichtssaal hin und her. Dabei treffen sie auch auf die Hinterbliebenen von Opfern des bewaffneten Konflikts mit Öcalans Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Witwen und Mütter haben gerahmte Fotos ihrer gefallenen Ehemänner und Söhne mitgebracht. «Ich entschuldige mich bei den Angehörigen der Märtyrer», sagt Öcalan in einer ersten Erklärung. Seine 15 Jahren führt seine PKK einen bewaffneten Kampf für die Errichtung eines unabhängigen Kurdenstaates auf türkischem Teritorium.
In dem malerischen Hafenstädtchen Mudanya, gegenüber von Imrali am Südostufer des Marmarameeres gelegen, ist die Stimmung der Bevölkerung eindeutig gegen die verbotene PKK und deren Führer gerichtet. Passanten beklatschten aufmarschierende Spezialeinheiten der Polizei. «Die Türkei ist unteilbar», steht auf einem Plakat, das medienwirksam an einem Haus an der Strandpromenade aufgehängt wird. Aus vielen Fenstern hängen türkische Fahnen. Schulkinder malten bunte Plakate, auf denen «Öcalan ist ein Babymörder» und «Verflucht sei die PKK» zu lesen ist.
Mehr als 700 Medienvertreter berichten aus Mudanya über den Öcalan-Prozeß. Für sie wurde ein Pressezentrum eingerichtet, da jeweils nur ein kleiner Teil der Journalisten mitfahren darf, wenn in Mudanya die Fähren nach Imrali ablegen.
«Imrali soll <Apos> (öcalans) Grab werden», skandierten am Morgen aufgebrachte Angehörige von Opfern bei einer Kundgebung in Mundanya. «Ich habe einen Neffen verloren. Was würden Sie denn sagen, wenn Terroristen ihre Angehörigen umbringen?», fragt ein älterer Mann mit Tränen der Wut in den Augen. «Öcalan soll die Todesstrafe bekommen - ich bin dafür.» Die Mutter eines getöteten Soldaten schimpft im türkischen Fernsehen: «Der Westen spricht von Menschenrechten. Und was ist mit den Menschenrechten meines Sohnes?»
Die Anklage lautet auf Hochverrat und Ermordung zahlreicher Zivilisten und Soldaten. Bei einem Schuldspruch des Staatssicherheitsgerichts droht Öcalan die Todesstrafe. Der «Staatsfeind Nummer eins» sitzt während der Verhandlung auf Imrali in einem Gehäuse aus Panzerglas, flankiert von zwei Gendarmen.
Seine Verteidiger beklagen, sie seien bei der Prozeßvorbereitung stark behindert worden. Vergeblich versuchten sie, eine Verschiebung des Prozesses zu erreichen. Einen entsprechenden Antrag wies das Staatssicherheitsgericht Nummer zwei aus Ankara am ersten Verhandlungstag zurück. Aus Protest verließen zwei der Anwälte Öcalans, Hasip Kaplan und Ercan Kanar, den Gerichtssaal. Damit steht Öcalan vor einem Gericht, das aus einem Militärrichter und zwei Zivilisten besteht. Ein rein ziviles Gericht könnte anders über den Kurdenchef urteilen, vermuten Beobachter.
Die Zusammensetzung der Staatssicherheitsgerichte hat in der Türkei eine heftige Diskussion ausgelöst. Zwar hat sich die neue Koalitionsregierung aus Demokratischer Linkspartei, Partei der Nationalistischen Bewegung und Mutterlandspartei klar für eine Besetzung ohne Militärrichter ausgesprochen. Wann eine entsprechende Gesetzesänderung erfolgen könnte, ist aber unklar.
Öcalan selbst scheint auf eine Wende in dem seit 15 Jahren tobenden
Krieg zwischen der PKK und dem türkischen Militär zu hoffen und
zeigt sich kooperativ. Er bot dem türkischen Staat seine Dienste an
und sagte, er wolle alles in seiner Macht Stehende für «Frieden
und Brüderlichkeit» unternehmen. Außerdem betonte der
49jährige, er seit seiner Festnahme im Februar mit Respekt und gut
behandelt worden sei. «Ich wurde nicht gefoltert, es wurde kein Druck
auf mich ausgeübt.»