Türkei will Exempel statuieren Prozeß gegen Abdullah Öcalan
inszeniert.
PKK-Chef droht Todesstrafe
Der Führer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, hat sich zu Beginn seiner Gerichtsverhandlung auf der Gefängnisinsel Imrali am Montag mit einem Friedensappell zu Wort gemeldet. In einer kurzen Stellungnahme betonte der PKK- Chef nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Anadolu, er wolle sich für »Frieden und Brüderlichkeit« in der Türkei sowie ein Ende des Blutvergießens einsetzen. »Dafür will ich leben.« Er entschuldigte sich ausdrücklich bei den Familien von PKK-Opfern, die im Gerichtssaal saßen. In Zukunft wolle er dem türkischen Staat dienen, sagte Öcalan. Beobachter merkten jedoch an, es sei nicht sicher, ob Öcalan vor Gericht tatsächlich seine eigene Meinung vertrat. Juristen hatten zudem bezweifelt, daß das Verfahren auf rechtsstaatlichen Grundlagen stattfindet. Vielmehr gehe es darum, ein Exempel zu statuieren.
Der 50jährige Abdullah Öcalan (Foto: AP), dessen Guerillakämpfer den türkischen Streitkräften im Südosten Anatoliens seit 15 Jahren einen zähen Kleinkrieg liefern, ist wegen separatistischer Umtriebe, Mordes sowie Hoch- und Landesverrats angeklagt. Bei einem Schuldspruch droht ihm die Todesstrafe. Das Gericht lehnte einen Antrag der Verteidigung auf Vertagung des Verfahrens ab. Begleitet wurde die Verhandlung von strengen Sicherheitsvorkehrungen; Öcalan selbst mußte in einer Kabine aus kugelsicherem Glas Platz nehmen.
Der Vorsitzende der PKK wirkte bei der Verhandlung vor dem Staatssicherheitsgericht gefaßt. In seiner kurzen Rede warf er Rußland, Griechenland und Italien mit Blick auf seine halbjährige Irrfahrt durch Europa vor seiner Gefangennahme im Februar vor, gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Zudem unterstrich er, er sei in seiner Haft weder gefoltert worden noch irgendeinem anderen Druck ausgesetzt gewesen.
Nach Öcalans Rede und der Abweisung des Vertagungsantrags wurde der Prozeß mit der Verlesung der 139 Seiten starken Anklageschrift fortgesetzt. Die Anwälte Öcalans hatten mit einer Vertagung mehr Zeit für die Vorbereitung ihrer Verteidigung gewinnen wollen. Zudem plädierten sie dafür, vor weiteren Verhandlungstagen die derzeit von der Regierung in Ankara geplante Justizreform abzuwarten. Auch Ministerpräsident Bülent Ecevit hatte sich dafür ausgesprochen.
Öcalan war im Februar in der kenianischen Hauptstadt Nairobi entführt und in die Türkei gebracht worden. Seitdem sitzt er auf der streng abgeriegelten Gefängnisinsel in der Nähe der Hafenstadt Mudanya in Einzelhaft. Der Prozeß gegen Öcalan hatte bereits im April begonnen, doch hatte der PKK-Chef selbst bisher nicht an dem Verfahren teilgenommen. Mit einem Urteil wird in etwa zwei Monaten gerechnet. Einem möglichen Todesurteil muß auch das Parlament in Ankara zustimmen. Bereits vor dem Prozeß wurden insbesondere in Westeuropa Stimmen laut, Öcalan einen fairen Prozeß zu machen und eine mögliche Todesstrafe nicht zu vollstrecken.
Bei neuen Gefechten zwischen der türkischen Armee und der PKK im Südosten des Landes kamen unterdessen nach amtlichen Angaben neun kurdische Rebellen und ein Soldat ums Leben.
(AFP/AP/jW)