Kriegsveteranen wollen rasche Exekution
Demonstranten fordern ¸¸1000mal den Tod'' für Öcalan - Teil der Presse schlägt sanftere Töne an
Zu den radikalsten Verfechtern der Todesstrafe für Abdullah Öcalan gehören die einflußreichen Kriegsveteranen der Türkei. In Mundaya demonstrierten viele für ein Todesurteil gegen den PKK-Führer.
Von Astrid Frefel, Bursa
Mit präzisem Marschschritt ziehen sie vom Denkmal mit den springenden Delphinen entlang der Hauptstraße von Mundaya bis zur Uferpromenade. Am Montag, zum Beginn des Prozesses gegen Öcalan auf der Mundaya vorgelagerten Gefängnisinsel Imrali, hatten die Kriegsveteranen von Bursa in der khaki-braunen Sommeruniform und den Fellmützen aus der Zeit des Befreiungskrieges ihren letzten Auftritt. Am Ende ihrer Route treffen sie auf die Familien der im Krieg gegen die PKK gefallenen Soldaten, der Märtyrer, die sie mit Beifall begrüßen und dabei ¸¸Märtyrer sterben nicht, unsere Heimat wird nicht geteilt'' skandieren.
An den Armbinden der etwa 50 Männer meist höheren Alters ist zu ersehen, wo sie gekämpft haben. Die meisten von ihnen waren beim Zypern-Krieg dabei, die älteren in Korea. ¸¸Leider gibt es in unserem Verein in Bursa keinen Veteranen aus dem Befreiungskrieg der 20er Jahre mehr'', bedauert Präsident Necdet Bütün.
Unter seinen 1753 Mitgliedern sind auch keine Teilnehmer des Kampfes gegen die PKK zu finden. ¸¸Das ist kein Krieg, denn die PKK vertritt keinen Staat. Öcalan ist nur der Führer einer terroristischen Bande. Er ist unser Carlos'', erklärt Bütün diese Tatsache. Für ihn gibt es keine Kurdenfrage, sondern nur Versuche ausländischer Kräfte, die Türkei zu spalten und sie nicht mächtig werden zu lassen.
Verstreut auf das ganze Land tragen 186 Männer aus dem Befreiungskrieg, 13000 aus dem Korea-Krieg und 23000 aus dem Zypern-Krieg die Ehrenbezeichnung ¸¸Gazi'', das heißt verdienter Kriegsveteran. Der Staat zahlt ihnen nicht nur eine kleine Monatsrente von 100 Dollar, sie erhalten auch Vergünstigungen wie Gratistransporte oder die Möglichkeit, das Gesundheitswesen der Militärs, das als das beste gilt, zu benützen. Ihre 33 Vereine sind soziale Einrichtungen, in denen sie das nationale Andenken und die Geselligkeit pflegen, an den Jahrestagen der verschiedenen Schlachten Festumzüge organisieren und den Hinterbliebenen helfen.
Im Vereinslokal in Bursa treffen sich die Veteranen fast jeden Tag. Sie tauschen Erinnerungen aus, trinken Tee, machen ein Spielchen. Vereinspräsident Bütün ist Geschäftsmann, aber seine ganze Freizeit gehört den Gazi. Seit PKK-Chef Abdullah Öcalan im vergangenen Herbst in Rom aufgetaucht ist, haben die Aktivitäten noch zugenommen. Eine erste Unterschriftensammlung für die Auslieferung des Erzfeindes brachte 133000 Unterzeichner in nur vier Tagen. Diese Bogen haben die Gazi selbst zur italienischen Botschaft nach Ankara gebracht. Ausländische Zeitungen und Fernsehsender, die zu freundlich über Öcalan berichten, werden mit Faxen daran erinnert, daß es sich hier um einen Kindermörder handelt.
Für die Gazi steht das Urteil fest. Der Volksfeind müßte 1000mal die Todesstrafe bekommen, meint Bütün, und die Vereinsmitglieder nicken zustimmend. Von Entschuldigungen und Begnadigungen hält er nichts. Auch nach der Urteilsverkündung werden die Kriegsveteranen keine Ruhe geben. Dann werden sich ihre Aktionen an das Parlament richten, um eine möglichst schnelle Exekution Öcalans durchzusetzen.
Noch ist das Urteil nicht gesprochen. Gestern, am zweiten Prozeßtag, ist Öcalan wieder in die Kabine aus Panzerglas geführt worden, er wurde befragt, welche Beziehungen die PKK zu verschiedenen Ländern gehabt habe. Öcalan habe Angaben zu PKK-Camps in Griechenland gemacht, meldete das staatliche Fernsehen TRT1. Zu Syrien und Iran hätten Beziehungen bestanden, sie seien aber nicht auf offiziell gewesen.
Die türkische Presse zeigte sich von Öcalans Entschuldigung
unbeeindruckt. ¸¸In der Bekaa-Ebene war er ein Löwe, auf
Imrali ein Hund'' - mit dieser Schlagzeile brachte die türkische Zeitung
¸¸Star'' gestern die Stimmung im Lande auf den Punkt. Die Zeitung
¸¸Hürriyet'', die Öcalan meist als ¸¸Babymörder''
bezeichnet, zeigte auf Seite eins ein Bild des Chefs der verbotenen Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) mit gesenktem Haupt. Er habe ¸¸wie ein begossener
Pudel'' vor Gericht gesessen. Aber es gab auch sachliche Überschriften.
¸¸Öcalan hat mit einer Entschuldigung angefangen'', schrieb
etwa die ¸¸Cumhuriyet''. So heftig die Schlagzeilen teilweise
auch ausgefallen sind, so klangen in den Kommentaren doch auch sanftere
Töne an. Die Zeitung ¸¸Radikal'' nannte die Entschuldigung
einen guten Beginn. In einem Kommentar von ¸¸Milliyet'' heißt
es: ¸¸Wie das Ergebnis von Imrali auch aussehen wird. Es ist
klar, daß man für die Probleme im Südosten des Landes Lösungen
finden muß.''