Die Untergrund-Führung der PKK veröffentlichte am Mittwoch
eine Ergebenheitsadresse an Abdullah Öcalan. "Der Genosse Vorsitzende"
habe "selbstlos" gehandelt und Bedeutendes gesagt, hieß es in der
Erklärung.
Das Angebot der PKK, der Forderung Öcalans zu folgen und die
Waffen niederzulegen, solle der türkische Staat auf keinen Fall "als
Schwäche der Kurdenorganisation" mißverstehen, hieß es
weiter in der Erklärung.
Die Nebenkläger fordern die Todesstrafe für Öcalan
Das Urteil gegen den PKK-Führer soll möglicherweise schon
in der nächsten Woche verkündet werden
ISTANBUL, 3. Juni. Die Nebenklage hat am vierten Tag des Hochverratsprozesses gegen PKK-Chef Abdullah Öcalan die Todesstrafe für den Separatistenführer gefordert. Die Anwälte der Hinterbliebenen wiesen die Richter darauf hin, daß sie im Falle eines Schuldspruchs gemäß türkischem Recht Öcalan zum Tode verurteilen müssen. "Hören Sie nicht auf Apos (Öcalans) Betteln und Drohen", sagte die Nebenklage. Es wird erwartet, daß der Prozeß in kurzer Zeit zu Ende ist.
"Gebt uns eine Chance"
Öcalan erneuerte unterdessen sein Friedensangebot – einen Tag nachdem die PKK-Führung ihm bei seiner Friedensinitiative ihre Unterstützung zugesagt hat. "Ich möchte der PKK einen Friedenskongreß vorschlagen", sagte der Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Wenn die türkische Regierung ein Signal gäbe, bekäme sie sicher eine positive Antwort. "Was wir auch für Fehler gemacht haben, gebt uns eine Chance." Der Kurdenführer erklärte, daß er sich – nachdem er erkannt hätte, daß der Kampf zu keinem Ergebnis führen werde – seit 1993 für eine friedliche Lösung eingesetzt hätte.
Die Führung der PKK hatte zuvor erklärt, daß sie das Friedensangebot ihres Vorsitzenden unterstütze, aber bei einer Ablehnung s der türkischen Regierung auch zur Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bereit sei. Das Parteipräsidium der PKK erklärte am Mittwoch nach Mitteilung des Kurdistan-Informationszentrums: "So wie wir 15 Jahre gekämpft haben, können wir, wenn notwendig, nochmals den gleichen Zeitraum kämpfen."
Öcalans Anwälte waren am Donnerstag aus Protest nicht vor Gericht auf der Gefängnis-Insel Imrali erschienen. Am Mittwoch abend hatte eine aufgebrachte Menge mit türkischen Fahnen vor dem Hotel der Anwälte in Gemlik in der Nähe von Mudanya demonstriert. Öcalans Verteidiger und seine Verwandten waren in der Nacht nach Istanbul gefahren.
Die Verteidiger waren aus Sicherheitsgründen nicht in der Hafenstadt Mudanya untergebracht, wo die Anwälte der Opfer und die "Märtyrer"-Familien wohnen. Die Anwälte waren bereits vor Beginn des Prozesses von rechten Kräften massiv bedroht worden. Der Vorsitzende Richter Turgut Okyay erklärte Öcalan, warum seine Anwälte nicht erschienen sind und begann dann mit der Befragung.
Auf Fragen der Richter sagte Öcalan, daß er den Chef des Deutschen Orient-Instituts, Udo Steinbach, getroffen habe und mit ihm über Mittelost-Fragen diskutiert habe. Er verneinte außerdem, daß die deutsche Anwältin Brigitte Böhler seine Rechtsvertreterin war. Einige Tage nach der Festnahme Öcalans war Böhler die Einreise in die Türkei verweigert worden.
Der Vorsitzende Richter wies Verteidigung und Anklage überraschend an, ihre Schlußplädoyers vorzubereiten. Der Anwalt Cengiz Erkoyuncu, der die Familien von der PKK getöteter Soldaten vertritt, sagte, das Urteil könnte bereits am 11. Juni verkündet werden. Vertreter von Menschenrechtsorganisationen kritisierten die rasche Abwicklung des Prozesses. Ein Vertreter des New Yorker Anwaltskomitees für Menschenrechte sagte, das schnelle Verfahren stelle die Unschuldsvermutung des Gerichts in Frage.
Öcalan wird Hochverrat vorgeworfen. Außerdem macht ihn die Staatsanwaltschaft für zahlreiche Morde an Zivilisten und türkischen Soldaten verantwortlich. Im Falle eines Schuldspruchs droht ihm die Todesstrafe. In der Türkei ist allerdings seit 1984 niemand mehr hingerichtet worden. Staatspräsident und Parlament müßten einer Hinrichtung zustimmen. Die Stimmung in der Bevölkerung ist aber eindeutig für die Todesstrafe. (dpa)