Abhör-Skandal in der Türkei
Ankaras Polizeichef entlassen
Beamten droht Anklage wegen Telephonüberwachung
ky. Istanbul (Eigener Bericht) – Im Abhör-Skandal der Polizei von Ankara sind die ersten Konsequenzen gezogen worden: Der türkische Innenminister Sadettin Tantan hat den Polizeichef der Hauptstadt, Cevdet Saral, und sieben weitere Beamte vom Dienst suspendiert. Dabei handelt es sich um den Chef des Polizeigeheimdienstes von Ankara, die jeweiligen Stellvertreter, und direkt an der Abhöraktion beteiligte Polizisten. Die Staatsanwaltschaft will gegen sie ein Verfahren wegen Gründung einer kriminellen Bande eröffnen.
In den vergangenen Tagen war bekannt geworden, daß die Ankaraner Polizei monatelang die Telephonanschlüsse von Politikern, Militärs, Journalisten und Juristen überwacht hatte. Dabei war unter anderem enthüllt geworden, daß einige der meistgesuchten Verbrecher der Türkei telephonisch Kontakt zu höchsten staatlichen und militärischen Stellen gehabt hatten.
Nach jüngsten Presseberichten überwachte die Polizei auch die privaten Telephone von Ministerpräsident Bülent Ecevit und der Oppositionspolitikerin Tansu Ciller. Die Kontrolle von Ecevits Anschluß war intensiviert worden, nachdem bekannt geworden war, daß sich der Anführer der separatistischen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK), Abdullah Öcalan, in der kenianischen Hauptstadt Nairobi aufhielt. Für diese Tage im vergangenen Februar liegen detaillierte Listen über jedes Gespräch vor, das der Regierungschef in seiner Wohnung führte.
Insgesamt fünf Mal wurden zudem Anschlüsse im Generalstabsgebäude
und im Sekretariat des Nationalen Sicherheitsrates angezapft. Bislang ist
unbekannt, wer den Beamten den Auftrag dazu erteilt hat. Sie bestreiten,
Gespräche abgehört zu haben. Nach ihren Worten wollten sie lediglich
überprüfen, welche Nummern steckbrieflich gesuchte Mafiosi und
Betrüger anwählten.