Mustafa Çakar
In die Zukunft sehen

Das Ziel des Prozesses ist, das Licht, daß in dieser Phase der Befreiung erreicht wurde, zu verdunkeln und Öcalan die Stellung abzusprechen. Es wird versucht, auf eine nicht legitime Art zu verdrehen, umzudrehen. Schon im Vorfeld des Prozesses versuchten der Staat und die Presse den Kurden weiszumachen, Öcalan und die PKK wären am Ende.
Ihre Journalisten Schreiber, Karikaturisten und Psychologen handeln in Imrali wie Mitarbeiter des DGM, (Staatssicherheitsgericht), haben die eigentliche Ausübung ihres Berufes vergessen. Einer versucht den anderen zu übertrumpfen, in ihrer Wut sehen sie nichts anderes. Sie sollten sich jetzt schon überlegen, wie sie sich verteidigen wollen, wenn die staatliche Politik sich ändern sollte und die kurdische Frage gelöst wird. Wer voll Schlamm ist kann sich waschen, der politische Dreck dagegen ist nicht abwaschbar. Wenn Öcalan keine kooperationsbereite Sprache gesprochen hätte, hätten sie applaudiert. Wenn er davon gesprochen hätte, den türkischen Ausbeuterstaat zu zerstören, um ein unabhängiges sozialistisches Kurdistan zu errichten, “dafür werden wir Blut vergießen und die Vampire haben kein Recht mich zu verurteilen”, hätte es dem Kampf viel genützt?
Öcalan hat nicht das Ziel, der türkischen Presse zu zeigen, wie revolutionär er ist, das hat er dem kurdischen Volk gezeigt. Er hat vorher gesagt, welche Art der Prozeßführung er machen will. Er hat nicht das leichte, sondern da schwierige gewählt. Eine scharfe Zunge wäre ihm nicht schwer gefallen.
Die, die bisher nicht vorausschauend handeln konnten, die herrschende Klasse, die eine Politik, die dem Ansatz von Öcalan entgegenkommt, nicht machen kann, bleibt lösungslos. Das ist der Unterschied.
Egal, ob Kurde oder Türke, alle, die den Prozeß von Nahem beobachten, jeder Mensch, von welcher Klasse auch immer, muß das sehen. Beide Seiten müssen darin übereinstimmen, daß diese alte Linie nicht zu einer Lösung führt und einen neuen Ansatz zur Sprache bringen und sehen, daß Öcalan seinen Teil der Verantwortung beiträgt. Er möchte, daß die Gewalt aufhört und die Guerilla von den Bergen kommt. Der Staat sollte, als wirklicher Staat seinen Grundsatz “eine Sprache, eine Nation” aufgeben  und auf den für uns einzigen Weg, dem Weg Öcalans ehrlich zugehen.
Öcalan übt die Aufgabe, die auf seinen Schultern liegt mit Sensibilität aus, aber die staatliche Justiz trägt nicht die Verantwortung, die sie als Teil des Staates tragen sollte. Mit den Emotionen, der Mütter und Väter, deren Söhne gestorben sind, sollte keine staatliche Politik gemacht werden. Statt sich ihrer Tränen und Schmerzen zu bedienen und dabei Öcalan als “Angsthasen” zu beschimpfen und die rassistischen MHP-Massen zu ermutigen, sollte die meistverkaufte Zeitung den Mut haben, die wichtigsten Probleme des Landes anzupacken.
Ihr sagtet doch, daß der Geist, den man aus der Flasche geholt hat, schwer wieder hereinzubekommen ist. Man wird ein großer Journalist, in dem man dem Neuen seinen Stempel aufdrückt, wenn man Akzente setzt und mutig Position bezieht. Wenn du die veraltete Politik der Türkei und deren falsche Position kritisiert, wirst du unvergeßlich. Mit den Sprüchen “der größte Soldat ist mein Soldat” (mit denen man Soldaten in den Krieg schickt, Anmerk. der Übers.) kannst du ein guter Vater sein, aber nichts zu den Lösungen der Probleme beitragen. Statt rassistische, ignorante, engstirnige und damit selbstbeweihräuchernde Politik zu machen, erfordert es  die  für das Land in die Zukunft blickende Politik,  die Haltung Öcalans, die die 75jährige ignorante Haltung des Staates ein wenig verdrängt, so würde der Geschichte des Landes der größte revolutionäre Dienst erwiesen. Wir glauben, daß er die schwere Last, die er sich alleine auf die Schultern genommen hat auch tragen wird.
Wenn er keine Antworten erhält,  wenn das Feuer innerhalb nicht einmal eines Jahres überall brennt, wird der türkische Staat sich danach sehnen, dafür zu Gott beten, daß er noch einmal einen Öcalan schickt.
 

nach: Özgür Politika vom 9.6.99, Übersetzung: Kurdistan Solidarität Hamburg