Militärhilfe für die Opposition USA verstärken Angriffe
auf Irak.
Unterstützung für Saddam-Gegner
Angesichts des NATO-Krieges gegen Jugoslawien ist die Tatsache, daß die USA und ihre britischen Hilfskräfte seit kurzem die Operationen ihrer Luftwaffe gegen den Irak wieder deutlich verstärkt haben, fast unbemerkt geblieben. Diese Angriffe auf den Irak sind Bestandteil einer vielseitigen Intensivierung des Drucks auf das Regime Saddam Husseins, eines Drucks, der möglicherweise immer mehr Resultate zeitigt.
Nachdem die im Irak-Sonderprogramm im vergangenen Jahr von der US-Regierung der irakischen Opposition versprochenen 97 Millionen Dollar praktisch nicht ausgezahlt wurden, hat die US- Regierung am 24. Mai durch den Sprecher des Außenministeriums, James Rubin, ankündigen lassen, daß dies nun anders werde. Zumindest bis zum geplanten Oppositionskongreß am 7.Juli werde allerdings kein Geld für militärische Zwecke zur Verfügung gestellt, sondern ausschließlich für Ausbildung und andere zivile Vorhaben der im Iraqi National Congress (INC) zusammengeschlossenen Opposition. Ungeachtet aller Fortschritte bei den Vereinigungsbemühungen der Opposition ist diese aber immer noch derart desperat, daß man in Washington offensichtlich zu dem Schluß gekommen ist, daß - so ein ungenannter Regierungsvertreter - die Oppositionellen vom INC die »day after guys« seien, d.h. die Jungs, die sicher nicht die sein werden, die Saddam stürzen, die man aber danach brauchen könne.
In der Tat kann sich eine der wichtigsten Oppositionsgruppen des Iraks, der vom Iran unterstützte und sich überwiegend auf den schiitischen Bevölkerungsteil im Süden des Landes stützende islamistische »Oberste Rat der Islamischen Revolution im Irak« (SCIRI), immer noch nicht dazu bequemen, sich an der Arbeit des INC zu beteiligen, allein schon deshalb nicht, weil diese unter dem Schutz der USA stattfindet. Bezeichnenderweise hat jüngst das traditionell mit den USA verbündete saudische Regime die Gelegenheit der alljährlichen Pilgerfahrt nach Mekka genutzt, um den Obersten Führer des SCIRI offiziell zu empfangen, während die ägyptische Regierung etwa zur gleichen Zeit in Kairo Gespräche auf höchster Ebene mit Vertretern des Iraqi National Accord (INA), einer konkurrierenden Oppositionsfront, führte. In diesem Zusammenhang ist es auch interessant zu sehen, wie schwer es der INC hatte, für sein für Juli geplantes Treffen einen Tagungsort zu finden. Weder die USA noch die kurdischen Parteien zeigten sich sonderlich begeistert von der Vorstellung, daß der Kongreß auf ihrem Territorium stattfinden könnte. Für die kurdischen Gruppen gilt das umso mehr, als Saddam Hussein im Vorfeld bereits mit Zuckerbrot und Peitsche gewunken hat. Einerseits hat das Baath-Regime in Bagdad Truppen an die Grenze des kurdischen Gebietes verlegt und unverhüllte Drohungen bis zum Einsatz von »Sonderwaffen« ausgesprochen, worunter sogleich das früher schon von ihm eingesetzte Giftgas verstanden wurde. Andererseits hat er ein »Sonderkomitee für den Kontakt zu Oppositionsgruppen« aus der Taufe gehoben. Bislang haben sich die Niederlande, Österreich und die Schweiz bereit erklärt, den Kongreß zu beherbergen, der die Einheit der Opposition festigen und ihr damit auch den Zugang zum Gros der US-Finanz- und Militärhilfe öffnen soll.
Obwohl also die offizielle Opposition noch weit davon entfernt zu sein scheint, bei Freund und Feind einen besonderen Eindruck zu hinterlassen, mehren sich seit geraumer Zeit die - allerdings schwer überprüfbaren - Meldungen von Opposition in den Reihen des Regimes selbst. Die jüngste Meldung wurde von der in London herausgegebenen arabischen Zeitung Az-Zaman veröffentlicht. Auf anonyme Quellen aus dem Irak Bezug nehmend berichtete die Zeitung, daß am 24. Mai Truppen versucht hätten, die Suwayrah- Garnison 60 Kilometer südlich von Bagdad zu verlassen. Ein Geheimdienstoffizier habe den Kommandanten der Garnison darauf hingewiesen, daß das ohne Erlaubnis des von Saddams Sohn und designiertem Nachfolger Qusai Hussein befehligten Geheimdienstes geschehe. Als der Garnisonskommandant, Oberstleutnant Muhammad Ulwan ad-Dulaymi, den Kommandanten der Einheit zur Rede gestellt habe, habe der mit der Kanone seines Panzers auf die Residenz seines Vorgesetzten gezielt. Ad-Dulaymi habe dann zwei Infanteriebataillonen der Republikanischen Garde befohlen, sich den ausrückenden Verbänden in den Weg zu stellen. Bei den darauf folgenden Kämpfen habe es zahlreiche Verwundete und Tote gegeben. Qusai Hussein sei sofort zur Garnison geeilt, und es habe eine Reihe von Verhaftungen und Verhören gegeben.
Der Zwischenfall ist insofern ernst, als in ihm offenbar erstmalig Einheiten der Republikanischen Garde verwickelt sind, während über entsprechende Aktivitäten von Armee-Einheiten, etwa in der Region Mosul im Norden oder Basra im Süden des Landes, schon des öfteren berichtet wurde. Die Republikanische Garde diente dem Regime bisher als Schutz, nicht zuletzt auch gegen die reguläre Armee und darüber hinaus als eine besonders effiziente Waffe im Kampf gegen die bewaffnete Opposition. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der zitierte Repräsentant der US-Regierung im Zusammenhang mit dem Sturz Saddams an diese »guys« dachte.
Anton Holberg