Die Hauptstadt bringt Verfassungsschützern mehr Arbeit
Von Hans Krump
Die deutschen Geheimdienste organisieren sich um: Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für Verfassungsschutz verstärken ihre Berliner Dependancen erheblich, auch Berlins Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) wird neustrukturiert. Die Hauptstadt, so LfV-Leiter Eduard Vermander, bekomme «als Kulisse für Aktionen von Extremisten zusätzliche Bedeutung». Angesichts schnell mobilisierbaren Potentials von Radikalen aller Art erwarten die Sicherheitsfachleute mehr Arbeit.
Es ausgerechnet im Umzugsjahr vornehmlich mit der extrem-militanten Kurdenpartei PKK zu tun zu haben, erfüllt die Verfassungsschützer nicht mit Freude. «Wir können uns unsere Beobachtungsobjekte nicht aussuchen», gibt sich Vermander pflichtbewußt.
Angesichts des Öcalan-Prozesses in der Türkei und des blutigen PKK-Sturms auf das israelische Generalkonsulat in Berlin mit vier Toten im Februar hat das LfV einen Gutteil der Aufmerksamkeit der Kurdenpartei gewidmet, «eine extrem konspirative, stalinistische Kaderorganisation» (Vermander). Die Durchdringung mit V-Leuten ist schwer, Verräter werden mit Fememorden und «tödlichen Aufträgen» bekämpft. Unter den 50 000 Kurden in Berlin gibt es 1000 PKK-Angehörige, 10 000 sind für die PKK mobilisierbar - ein kaum kontrollierbares Gewaltpotential.
Mit Bangen verfolgt das LfV, ob das (erwartete) Todesurteil gegen PKK-Chef Öcalan vollstreckt wird. Niemand weiß, wie dann die neue PKK-Führung reagiert. Vor allem die kurdischen Jugendlichen seien «kaum steuerbar».
Wegen des Gefährdungspotentials durch ausländische Extremisten an der Spree, deren Zahl von 5700 auf 6400 zugenommen hat, ist dieser Bereich im neuen LfV-Jahresbericht an die erste Stelle gerückt. Regelrecht «harmlos» im Vergleich zur PKK gerieren sich derzeit islamisch-extremistische Gruppen wie Hisbollah oder Hamas.
Auch der gewaltbereite Rechtsextremismus, vor allem ein Phänomen im Ost-Teil Berlins, bereitet den Verfassungsschützern mit Blick auf den Regierungsumzug Sorgen. Zwar sind Gewaltaktionen gegen Ausländer 1999 rückläufig (nach dem Anschwellen 1998 mit 82 Übergriffen), dennoch gilt die Szene, bei der Skinheads die Hauptrolle spielen, weiter als diffus und schwer kontrollierbar. Fast alle Straftaten geschehen unorganisiert und unter Alkoholeinfluß. Vermander setzt auf Polizeipräsenz und harte Strafen.
Mit Blick auf die 1200 linksextremen Autonomen in Berlin wird erwartet, daß sie durch Krawallaktionen wie am 1. Mai versuchen, den umziehenden Bundespolitikern bei allen möglichen Anlässen «in die Suppe zu spucken». Ihr Hauptthema ist derzeit noch der «antifaschistische Kampf». Mehr Arbeit sehen die Verfassungsschützer auch durch den Umzug der rechtsextremen NPD von Stuttgart nach Berlin.
Trotz neuer Aufgaben sind die von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) angekündigten Reformen im LfV noch nicht realisiert. Die 250-Mitarbeiter-Behörde soll flexibel und modern werden, Mitarbeiter leichter umgesetzt werden können. Dazu muß aber erst das Dienstrechtsreformgesetz geändert werden, das immer noch nicht verabschiedet ist. «Wir warten auf den Startschuß», sagt Vermander ungeduldig.