Neues Deutschland 21.6.99

Verfolgung

»Sibel ist keineTerroristin«
Studenten fordern Freilassung von kurdischer Kommilitonin aus türkischer Haft

Von Nikolaus Brauns
Für die Freilassung einer in der Türkei verhafteten Kommilitonin haben Kurdistan-Arbeitskreise und Internationalismusreferate an den Universitäten in Deutschland und anderen Ländern eine Kampagne gestartet.

Weit über ein Dutzend deutscher Studierendenvertretungen von Hamburg über Göttingen bis Frankfurt (Main) haben bereits Protestresolutionen an das Justizininisterium in Ankara geschickt, um die Freilassung der 23jährigen Kunststudentin Sibel Ceylan zu fordern. Auch Universitäten in Holland, Frankreich, der Schweiz und Österreich schlossen sich den Protesten an.

Die belgisch-türkische Staatsbürgerin Sibel Ceylan war am 7. Mai am Istanbuler Flughafen von Anti-Terror-Einheiten der Polizei verhaftet worden. Im März und April hatte sie als Dolmetscherin französische und belgische Menschenrechtsdelegationen in die Türkei begleitet und beim »Rechtsbüro des Jahrhunderts«, den Anwälten von Abdullah Öcalan, als Übersetzerin gearbeitet. Weil bei ihrer Rückreise nach Europa eine Kopie, der offiziellen Anklageschrift gegen Öcalan für dessen europäische sowie ein Kurzfilm des »Mesopotamischen Kulturzentrums« in ihrem Gepäck gefunden wurden, steht sie unter Anklage, Kurierdienste für die Kurdische Arbeiterpartei PKK geleistet zu haben. Mit dem Film, der diesen Sommer auf einem Filmfestival in Rom gezeigt werden soll, hätte sie zudem das Ansehen der Türkei in Europa schädigen wollen. Das Istanbuler Staatssicherheitsgericht fordert bis zu 5 Jahre Haft für die Studentin. In türkischer Haft drohen der jungen Kurdin Folter und sexuelle Nötigungen.

Zusätzlich wurde in der türkischen Presse eine massive Hetzkampagne gegen Frau Ceylan gestartet. Sogar eine gefälschte Erklärung ihres Vaters, der sich angeblich von seiner »Terroristentochter« distanziere, wurde veröffentlicht. Besir Öztürk vom Arbeitskreis Kurdistan an der Uni Köln bestreitet die Vorwürfe gegen Sibel Ceylan: »Die gesamten Vorfälle sind einzureihen in die Versuche des Staates, die Verteidigung von Abdullah Öcalan mit allen Mittel zu behindern. Wir protestieren gegen Sibels Verhaftung, weil sich der Terrorismus-Vorwurf in keiner Weise rechtfertigen läßt. Die bei ihr gefundenen Materialien sind frei zugängig und der Film war vom türkischen Kultusminister genehmigt. Also hat sie nichts bei sich getragen, was gegen bestehende türkische Gesetze verstoßen könnte.« Mit Hilfe der Verleumdungen gegen die Studentin sollen auch Öcalans Anwälte in die Terrorismus-Ecke gerückt werden.

Resolutionen für die Freilassung Sibel Ceylans können an das Justizministerium, in Ankara - Fax.- (0090) 3124 1913 31 - sowie Amnesty International - Fax (0044) 1719 :5611 .57 - geschickt werden.