Pro Asyl beklagt Untätigkeit der Bundesregierung
Neun Kurden nach Abschiebung in die Türkei gefoltert.
Forderung nach Abschiebestopp
Frankfurt (taz) - Die neue Bundesregierung habe sie "extrem enttäuscht", sagten die Sprecher der Menschenrechtsorganisationen Pro Asyl und IPPNW (Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges) sowie des Niedersächsischen Flüchtlingsrates gestern in Frankfurt. Anstatt eine neue, an den Menschenrechten orientierte Türkei- und Asylpolitik einzuleiten, schrieben SPD und Grüne die alte Politik von "Hardliner" Kanther (CDU) und Außenminister Kinkel (FDP) einfach fort. Obgleich sich die Situation für die Kurden in der Türkei nach der Verhaftung von PKK-Chef Öcalan "noch verschärft" habe, würden von Deutschland aus weiter Kurden in die Türkei abgeschoben, konstatierte Claudia Gayer vom Flüchtlingsrat. Dort drohten ihnen "Verfolgung und Folter".
Acht neue Fälle von Mißhandlungen und Folterungen von kurdischen Flüchtlingen, die nach erfolglosem Asylantrag in die Türkei abgeschoben und dort inhaftiert worden seien, wurden von den Organsiationen präsentiert. Pro-Asyl-Sprecher Heiko Kauffmann wies darauf hin, daß seine Organisation und der Flüchtlingsbeirat schon im Februar eine Dokumentation über das Schicksal von Kurden vorgestellt habe, die nach ihrer Abschiebung in die Türkei mißhandelt und gefoltert worden seien. "Wir hatten damals an die Bundesregierung appelliert, sofort ein Abschiebemoratorium für Kurden aus der Türkei zu erlassen; aber nichts ist passiert." Dabei habe das Auswärtige Amt Ende Februar in einem Zwischenbericht selbst festgestellt, daß für in die Türkei abgeschobene Kurden ein "erhöhtes Risiko" bestehe.
Viele Kurden, die nach Deutschland geflohen sind, seien "traumatisiert" und dürften auch deshalb nicht abgeschoben werden, so IPPNW-Vorstandsmitglied Gisela Penteker. Die drei Organisationen erneuerten ihre Forderung nach einem Abschiebestopp. Die Bundesregierung müsse auch das sogenannte Konsultationsabkommen mit der Türkei aufkündigen, in dem sich die Türkei verpflichtete, die deutschen Behörden darüber zu informieren, ob einem Kurden in der Türkei ein Strafverfahren droht - oder nicht. Damit nämlich würden die türkischen Behörden oft erst auf den "Schübling" aufmerksam gemacht, beklagte Kai Weber vom Flüchtlingsrat.
Klaus-Peter Klingelschmitt