AFP 25.6.99
Schily läßt Ausländer wieder gewaltsam abschieben - Pro Asyl nennt Entschluß "äußerst problematisch" Die gewaltsame Abschiebung von Ausländern aus Deutschland kann nach einer Entscheidung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) mit sofortiger Wirkung wieder aufgenommen werden. Schily hob damit am Freitag den nach dem Tod eines Sudanesen vor einem Monat verhängten Abschiebestopp wieder auf. Nach seinen Angaben wurde das Vorgehen des Bundesgrenzschutzes (BGS) bei Abschiebungen neu geregelt. Diese Regelungen zielen darauf ab, die hohe physische und psychische Belastung des Ausländers bei einer gewaltsamen Abschiebung stärker zu berücksichtigen. Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl nannte die Entscheidung dennoch "äußerst problematisch". Schily hatte die Abschiebungen von Ausländern ausgesetzt, bei denen mit gewaltsamer Gegenwehr zu rechnen ist. Er reagierte damit auf den Fall des 30jährigen Sudanesen, der im Flugzeug starb, nachdem ihm von BGS-Beamten ein Helm aufgesetzt und er "durch Nach-unten-Drücken fixiert" worden war. Seine Todesursache ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main weiterhin ungeklärt. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte, Schily habe mit seiner Entscheidung nach dem Tod des Sudanesen richtig gehandelt und ein klares Signal gegen Fremdenfeindlichkeit gesetzt. Jetzt sei er anscheinend durch öffentlichen Druck weichgeklopft worden. Es sehe nach einem Kompromiß aus, um die unionsgeführten Bundesländer ruhig zu stellen. Ein solch gravierender Vorfall hätte im Menschenrechts- und im Innenausschuß des Bundestages abschließend behandelt werden müssen. Nach den Vorgaben des Bundesinnenministeriums ist bei Abschiebungen künftig "unbedingt darauf zu achten, daß die freie Atmung des Rückzuführenden gewährleistet ist." Ab sofort werde auf die Verwendung von sogenannten Integralhelmen verzichtet. Bei der Anwendung körperlicher Gewalt sei dafür zu sorgen, daß "eine unbeeinträchtigte Atmung" gewährleistet sei. Ein "unverzichtbarer Bestandteil für die Rückführung" sei zudem die umfassende Unterrichtung des BGS durch die Länder über "Gewaltbereitschaft, Suizidgefährdung, gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Vorschädigungen" des betroffenen Ausländers. Bei Anhaltspunkten für Gewaltbereitschaft oder Suizidgefährdungen sollten die Landesbehörden eine ärztliche Untersuchung anordnen. Burkhardt kritisierte, daß lediglich das Verbot des Integralhelmes
eine erkennbare Änderung darstelle. Alle andere Vorgaben seien eigentlich
selbstverständlich.
|