taz, 30.6.1999
Bisher nur friedlicher Protest
Das Todesurteil gegen den PKK-Führer Abdullah Öcalan ist in
Berlin, der Stadt mit der größten kurdischen Gemeinde Europas,
mit Wut, Empörung und Trauer aufgenommen worden. Alper Baba, ein Vorstandsmitglied
der Kurdischen Gemeinde, erklärte in einem Kulturzentrum der Kurden
in Kreuzberg vor Hunderten Landsleuten, man werde dieses "ungerechte und
gesetzwidrige Urteil" nicht anerkennen. In Europa würden die Kurden
aber ihre Empörung und Trauer "nur im demokratischen Rahmen" auf die
Straße bringen. Er forderte die Europäische Union und die deutsche
Regierung auf, nun Druck auf die Türkei auszuüben, damit das
Urteil nicht vollstreckt werde. Vertreter von kurdischen Vereinen in Berlin
wollten sich gestern abend treffen, um ihr weiteres Vorgehen abzusprechen.
Am Nachmittag versammelten sich einige Dutzend Kurden zu einer Demonstration
vor dem Abgeordnetenhaus. Der Berliner Senat mißbilligte in einer
Stellungnahme das Todesurteil. Er appellierte besonders an die rund 60.000
in Berlin lebenden Kurden, "sich nicht zu unbedachten Aktionen hinreißen
zu lassen". Unterdessen sind die Sicherheitsmaßnahmen für die
diplomatischen Vertretungen unter anderem der Türkei, der USA und
Israels in der Hauptstadt massiv verstärkt werden. Nach der Verhaftung
Öcalans hatten Kurden die Generalkonsulate Griechenlands und Israels
besetzt. Dabei hatten israelische Sicherheitsbeamte vier Kurden, eine Frau
und drei Männer, erschossen. Auch in anderen deutschen Städten
kam es gestern zu Protestaktionen gegen das Urteil in der Türkei.
In Bonn demonstrierten rund 100 Kurden vor der britischen Botschaft - ohne
daß zu erkennen war, warum gerade dieser Demonstrationsort gewählt
wurde. Auch in Hamburg, Dortmund und Stuttgart demonstrierten Kurden für
Öcalan. Alle Kundgebungen blieben zunächst friedlich. Philipp
Gessler, Berlin
|