taz Hamburg, 2.7.1999
"Verhältnismäßigkeit gewahrt"
Von Elke Spanner
Das Gespräch der Regierungspartner war angekündigt worden, seit im Mai das interne Papier der Innenbehörde bekannt geworden war, in dem diese ankündigte, die Zahl der Abschiebungen steigern zu wollen. Damals hatte Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) der GAL sein Wort gegeben, das Papier zunächst nicht umzusetzen. Paralell hatte er mehrere schwer kranke Flüchtlinge abschieben lassen. Auch Wrocklage saß gestern mit am Verhandlungstisch. In das Gespräch war er laut seinem Sprecher Christoph Holstein mit der Zuversicht gegangen, "daß man sich einigen werde". Erst gestern hatte die Innenbehörde in der Antwort auf eine kleine Senatsanfrage der Regenbogen-Abgeordneten Susanne Uhl darauf beharrt: "Bei der Abschiebung (...) wurden sowohl der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Würde des Menschen gewahrt". Ganz anders hat hingegen die Pastorin Friederike Raum-Blöcher, die Nikar Selcuk über Monate betreut und zur Ausländerbehörde begleitet hatte, deren Umgang mit der Kurdin wahrgenommen. Sie erwägt nun, in einem Brief an den Senat dessen "verzerrte Darstellung" zurechtzurücken. So behauptet die Innenbehörde etwa in ihrer Antwort, im letzten Gespräch mit der Kurdin sei kein Zweifel daran gelassen worden, daß ihre Ausreise unmittelbar bevorstünde. Dem widerspricht die Pastorin: In jenem Gespräch am 7. Juni habe die Sachbearbeiterin sich bereit erklärt, die Duldung auf sechs Wochen zu verlängern, damit die Kinder von Nikar Selcuk das Schuljahr abschließen könnten. Auch der vorige Termin bei der Ausländerbehörde Anfang Mai
sei grundlegend anders verlaufen, als von der Innenbehörde nun dargestellt:
Dort habe die Sachbearbeiterin der Kurdin angekündigt, daß sie
nun ein medizinisches Gutachten einer Amtsärztin über die Reisefähigkeit
Selcuks in Auftrag geben wolle. Seither habe die Kurdin auf eine Ladung
des Gesundheitsamtes gewartet. Um das Gesundheitsamt benachrichtigen zu
können, habe die Ausländerbehörde auch nach der Adresse
der Kurdin gefragt. Statt einer Amtsärztin schickte sie dann Anfang
Juni Polizisten zur Abschiebung dorthin.
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