Berliner Zeitung, 13.7.99 Auswärtiges Amt plant Reform der Lageberichte Von Sigrid Averesch und Ralf Beste BONN, 11. Juli. Das Auswärtige Amt plant eine grundlegende Reform der Lageberichte, die die Grundlage für Asylverfahren bilden. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" sollen Beamte des Bundesinnenministeriums künftig bei der Verfassung der Berichte weitgehend ausgeschaltet werden. "Es wird strikt darauf geachtet, daß die Berichte nur vom Auswärtigen Amt hergestellt werden", hieß es aus Regierungskreisen. "Es gibt keine redaktionelle Mitwirkung anderer." Ziel sei es, die Lage der Menschenrechte stärker zu berücksichtigen. Die Reform der Lageberichte hat bereits im Planungsstadium für Konflikte in der Bundesregierung gesorgt. Bisher waren Beamte des Bundesinnenministeriums, das die Fachaufsicht in Asylfragen innehat, in den Botschaften der Länder an der Abfassung der Berichte beteiligt. Das soll sich nun ändern. Die Spitze des Auswärtigen Amtes wie auch die Menschenrechtspolitiker der rot-grünen Koalition halten das Innenministerium für befangen. Keine rechtlichen Bewertungen Schon kurz nach dem Regierungswechsel begann der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Grüne), mit der Überarbeitung des - politisch heikelsten - Lageberichtes über die Türkei. Berichte des Hamburger Magazins "Der Spiegel", wonach das Projekt wegen Widerständen aus dem Innenministerium verschoben worden sei, wies das Innenministerium am Wochenende zurück. Das Auswärtige Amt widersprach, daß Außenminister Fischer den überarbeiteten Bericht gestoppt habe. Dies stelle "die Tatsachen geradezu auf den Kopf", sagte ein Sprecher. Er erklärte die Verzögerung damit, daß die neuen Eckpunkte auf den Türkei-Bericht angewendet werden müßten. Nach seinen Angaben will das Auswärtige Amt regelmäßig einen Dialog mit Flüchtlingsorganisationen über die Lage in den Herkunftsländern von Asylsuchenden führen. Rechtliche Bewertungen wie die, daß es "keine gruppenspezifischen Verfolgungen" von Menschen gebe, sollen entfallen. Aktualisierung je nach Brisanz Die Eckpunkte waren bei einer Besprechung am 2. Juli, an der Fischer, Volmer sowie leitende Beamte des Hauses teilnahmen, beschlossen worden. Die Berichte sollen je nach Brisanz der politischen Lage in den Ländern aktualisiert werden. Der normale Zyklus soll ein Jahr betragen. In politisch sensiblen Ländern wie dem Iran, die eine stabile Regierung haben, ist eine Überarbeitung halbjährlich vorgesehen, in Krisenregionen wie der Bundesrepublik Jugoslawien vierteljährlich. Die vertraulichen Berichte sollen auf dem Deckblatt betonen, daß es sich um Entscheidungshilfen und keine juristische Aussagen handelt. Das Auswärtige Amt will so den Eindruck vermeiden, daß es die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in Asylfragen beeinflusse. Die Grünen hatten stets gefordert, daß die Berichte die tatsächliche Situation, etwa bei der Unterdrückung der Kurden in der Türkei, widerspiegeln und nicht darauf gerichtet sein sollten, ablehnende Urteile gegen Asylbewerber zu legitimieren. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Angelika Beer, erhofft sich von den neuen Berichten, daß diese Anforderungen, insbesondere bei den Menschenrechten, erfüllt werden. |