Hamburger Abendblatt, 16.7. Blitzurteil gegen PKK-Sympathisanten SPD-Parteizentrale besetzt - Bewährungsstrafe für vier kurdische Randalierer Eingetretene Türen, umgerissene Blumenkübel, verwüstete Büros, zerstörte Computer und dazu Unmengen von Wasser, das durchs Treppenhaus lief: Einem Rollkommando gleich waren am 17. Februar Sympathisanten der PKK in die SPD-Parteizentrale im Kurt-Schumacher-Haus eingedrungen, hatten aus Protest gegen die Verhaftung von PKK-Führer Abdullah Öcalan eine Spur der Verwüstung hinterlassen, einen Mann niedergeschlagen und den Kreisgeschäftsführer der Partei als Geisel genommen. Gestern nun wurden die ersten vier der Randalierer in einem Prozeß vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts verurteilt. Das Gericht verhängte gegen die Männer Bewährungsstrafen von jeweils einem Jahr. Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch waren den angeklagten Cafer Y., Mehmet S., Mahfuz S. und Erkan K. unter anderem vorgeworfen worden. Die vier Männer im Alter zwischen 23 und 41 Jahren räumten ein, bei der Aktion in der SPD-Zentrale dabei gewesen zu sein. Sie hätten von den Protesten gehört und sich spontan der Gruppe, die in das Haus eindrang, angeschlossen, gaben sie zu. Etwa 20 PKK-Sympathisanten waren gegen 10.30 Uhr in das Kurt-Schumacher-Haus eingedrungen. "Viele waren bewaffnet mit Knüppeln oder ähnlichen Schlagwerkzeugen", sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. "Der Pförtner wurde geschlagen, Büromaterial und Glasscheiben wurden zerstört." Zudem hatten die Randalierer "Polizeibeamte aus Feuerwehrschläuchen bespritzt, das Wasser lief die Treppe runter", so der Ankläger weiter. Der Gesamtschaden habe sich auf 102 000 Mark belaufen. Der Staatsanwalt forderte jeweils eine Bewährungsstrafe von 15 Monaten für die Angeklagten. "Man kann in keiner Weise dulden, daß zur Durchsetzung politischer Motive Gewalt angewendet wird", betonte er. Jedoch sei den vier Männern nicht konkret nachzuweisen, ob auch von ihnen Gewalt ausgegangen sei. Sie waren im 2. Stock des Gebäudes festgenommen worden, noch bevor es zur Geiselnahme gekommen war. Deshalb war diese Tat in der jetzigen Hauptverhandlung ausgeklammert. Die mutmaßlichen Haupttäter sollen im Herbst vor Gericht gestellt werden. Erst am vergangenen Montag war der Prozeßtermin festgelegt worden, nach wenigen Stunden und nahezu ohne Beweisaufnahme wurde das Urteil von jeweils einem Jahr mit Bewährung gefällt. Die schnelle Beendigung des Verfahrens, das mit umfangreicher Beweisaufnahme Monate hätte dauern können, so der Kammervorsitzende, sei möglich gewesen, weil Gericht, Verteidigung und Ankläger "vorab Gespräche geführt und einen Konsens über eine ungefähre Strafe erreicht haben". Solche Gespräche seien "zulässig und sachdienlich", betonte der Richter. Bei der Protestaktion habe "Vandalismus stattgefunden", sagte er zur Begründung des Strafmaßes, die Randalierer seien "wie ein Rollkommando" in die SPD-Zentrale eingedrungen. Das Urteil wurde schon nach wenigen Minuten rechtskräftig. Ob bei den Angeklagten aufgrund der Verurteilung "Ausweisungs- und Abschiebungsgründe vorliegen, ist im Einzelfall zu prüfen", sagte der Sprecher des Ausländeramtes, Norbert Smekal, dem Abendblatt. "Wobei auch zu prüfen sein wird, inwieweit Abschiebungshindernisse bestehen aufgrund laufender Asylverfahren." Prozesse auch in Berlin und Leipzig Fünf Monate nach den gewalttätigen Ausschreitungen von Kurden wegen der Festnahme von PKK-Chef Öcalan hat gestern in Berlin der dritte größere Prozeß um die Kurdenkrawalle in der Hauptstadt begonnen. Der 27 Jahre alte Angeklagte soll am 16. Februar vor dem griechischen Generalkonsulat mit einem Hammer und am 17. Februar nahe der israelischen Vertretung mit einer Eisenstange auf Polizisten eingeschlagen haben. Er verweigerte vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts jede Aussage. Seine Anwälte verlangten zum Auftakt des Verfahrens ein Gutachten zur Schuldfähigkeit, da der 27jährige möglicherweise noch unter den Folgen von Folter in der Türkei leide. In Leipzig erhob die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage gegen mutmaßliche Rädelsführer der Geiselnahme im griechischen Generalkonsulat. Ihnen wird gemeinschaftliche Geiselnahme, Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall sowie schwerer Hausfriedensbruch vorgeworfen. Der Prozeß beginnt voraussichtlich im Herbst vor der Jugendkammer, da einer der Angeklagten zur Tatzeit erst 20 Jahre alt war. (ap/bem) |