Berliner Zeitung, 21.7.99 Neue Akzente in der Türkei-Politik Der Besuch von Außenminister Fischer in Ankara soll das Verhältnis verbessern von Sigrid Averesch BERLIN, 20. Juli. In den deutsch-türkischen Beziehungen bahnt sich eine Annäherung an. Nach der "Eiszeit" zwischen Bonn und Ankara besucht vom heutigen Mittwoch an Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zwei Tage lang die Türkei. Es ist der erste Besuch eines deutschen Außenministers in der Türkei seit zwei Jahren. Geplant sind Gespräche mit Staatspräsident Suleyman Demirel und mit Ministerpräsident Bülent Ecevit sowie mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen. Es gehe darum, "Vertrauen aufzubauen" beschrieb Fischer in der "Berliner Zeitung" das Ziel. Unter der christlich-liberalen Bundesregierung hatte sich das Verhältnis zur Türkei verschlechtert, nachdem der Wunsch des Landes, in der Europäischen Union (EU) als Beitrittskandidat anerkannt zu werden, 1997 gescheitert war. Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt hatte die rot-grüne Bundesregierung einen neuen Kurs in der deutschen Türkei-Politik eingeschlagen. Sie will den EU-Beitritt der Türkei fördern und gleichzeitig auf Reformen in dem politisch instabilen Land dringen. Die Chancen für einen Neuanfang stehen derzeit nicht schlecht. Seit Wochen haben hochrangige Beamte beider Regierungen die Grundlage geschaffen. Ergebnis ist ein Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem türkischen Amtskollegen Ecevit. Darin versicherte Schröder, sich für die Türkei als EU-Beitrittskandidaten einzusetzen. Ecevit wiederum akzeptierte als Bedingungen einer EU-Mitgliedschaft die Kopenhagener Kriterien, die eine Angleichung der Rechtssysteme, der Wirtschaftspolitik und die Einhaltung von Menschenrechten vorsehen. Die stellvertretende außenpolitische Sprecherin der SPD, Uta Zapf, zeigt sich denn auch zuversichtlich. "Ich erwarte vom Besuch Fischers eine Verbesserung der Beziehungen", sagte sie. Auch von der CDU wird der außenpolitische Kurs unterstützt. "Wir haben ein elementares Interesse an einer innenpolitisch stabilen und außenpolitisch handlungsfähigen Türkei", betont Thomas Kossendey, stellvertretender Vorsitzender der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe. Der CDU-Politiker wird mit Bundestags-Kollegen den Außenminister begleiten. Kossendey geht davon aus, daß Fischer auch die kritischen Punkte ansprechen wird. Dies gilt als der heikle Teil des Besuches. Das Todesurteil gegen den Chef der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, die Unterdrückung der Kurden, der Einfluß des Militärs auf die Politik, die Zypern-Frage wie auch die Angriffe der Türkei auf die Nachbarländer sind die Themen, bei denen von Fischer diplomatisches Geschick verlangt wird. Die türkische Regierung gilt als "hochsensibler" Gesprächspartner, der Kritik oft als Einmischung in die innere Angelegenheit wertet. In diesen Fragen steht der grüne Außenminister auch unter innenpolitischem Druck. Die Koalition ist mit dem Vorsatz angetreten, in der Außenpolitik stärker die Menschenrechte zu betonen. Menschenrechtsorganisationen erwarten daher von Fischer, daß er die Menschenrechtsverletzungen und die Folter anprangert. Kurdische Organisationen appellierten am Dienstag an den Außenminister, sich für eine friedliche und demokratische Lösung des Kurdenproblems einzusetzen. Die türkische Gemeinde wiederum erwartet einen "konstruktiven Dialog" über den EU-Beitritt der Türkei. |