Özgür Politika 20.7.99/21.7.99 Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen aus dem Interview mit Murat Karayilan aus der Özgür Politika vom 20.7.99 und 21.7.99. Wie ist die Situation der ARGK im Norden? Gemäß der Erklärung des Präsidialrats vom 6.5. befindet sich die ARGK im Zustand aktiver Verteidigung. Gemäß den Entscheidungen des VI. Kongresses treffen wir weitere Vorbereitungen, unterstützen auch den in Imrali begonnenen Lösungsprozeß Gibt es neue Entwicklungen in der Kriegsführung der türkischen Armee? Die türkische Armee wendet eine neue Taktik an. Diese beinhaltet schnellere Operationen, das Absetzen von Soldaten für plötzliche Vernichtungsangriffe. Wie reagiert die ARGK? Im letzten Jahr hatten sie damit einige Erfolge, jetzt haben wir uns darauf eingestellt. Wir haben keine Probleme mit der Taktik. Wie bewertet der Präsidialrat die Diskussionen, die nach Imrali aufgekommen sind? Das Verhältnis von Türken und Kurden gleicht einer Zwangsehe. Die Kurden sind nicht länger bereit, diese erzwungene Ehe beizubehalten. Die kurdische Gesellschaft hat eine neue Stufe erreicht. Die Führung der Bewegung schafft sich selbst neu, auch wenn es Festnahmen gibt. Wurde voll verstanden, was Öcalan gesagt hat? 1978 hat Öcalan ein Manifest über die Revolution in Kurdistan vorgelegt, jetzt präsentiert er ein Manifest über die Demokratische Republik. Das ist ein wichtiger Lösungsvorschlag. Man muß es ernstnehmen und vollständig verstehen. Öcalan und der Präsidialrat reden oft von einem internationalen Komplott, das auch die Türkei zum Ziel hat. Das internationale Komplott richtet sich gegen das kurdische Volk, aber auch gegen das türkische. Man will die Völker in einen zerstörerischen Krieg treiben. Im Falle von Hinrichtung und Krieg wird die Türkei stärker auf USA und Israel angewiesen und von ihnen abhängig sein. Dagegen steht der Lösungsvorschlag. Was denken PKK und Guerilla über Frieden und Demokratisierung? Wir wollen Frieden und Freiheit für beide Völker. Den Kampf dafür führen auch viele Menschen aus der Türkei. Wir wollen nicht auf jeden Fall Krieg. Die Türkei denkt da anders. Wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor, das Verhalten der Gegenseite ist entscheidend. Was wollen sie von der türkischen Seite? Das hat Apo klar gesagt. Eine richtige Reaktion ist sehr wichtig. Der Versuch, uns zu vernichten, führt zu nichts. Das britische Institut für strategische Studien hat prognostiziert, die PKK werde sich nach Apos Verhaftung zerstreuen. Die sind nicht ernstzunehmen. Es sind weder die Radikalen noch die Konservativsten an die Macht gekommen. Auch nicht die radikalen oder die gemäßigten. Das sind nur Argumente der Spezialkriegsführung. "Wir billigen keine Aktionen gegen Zivilisten" (Teil II des Interviews mit Murat Karayilan aus der Özgür Politika vom Mittwoch, den 21.7.99, leicht gekürzt) Was erwarten sie für Entwicklungen in der Zukunft? Seit 93 treten wir für eine politische, friedliche Lösung ein. Aber wenn die Gegenseite sich extrem chauvinistisch verhält, auf Leugnung und Vernichtung beharrt, verteidigen wir uns. Wir haben Waffen, und wir benutzen sie. Das ist unsere Linie, da gibt es kein rechts und kein links, kein radikal und kein nicht radikal. Wer dies nicht sieht, kann mit seinen Kommentaren nur falsch liegen. Was ist der Grund für die ständigen Diskussionen über die Lage und die Führung der PKK? Das ist eine Spezialkriegstaktik, die uns schwächen soll. Besonders Öcalan soll lächerlich gemacht werden. Aber unser Kampf ist für alle unterdrückten, für alle Werktätigen. Der Kampf hat eine Frauengesellschaft geformt. Es ist schwer vorstellbar, dass sie auf dieser Stufe des Kampfes umkippen. Wir haben eine klare Linie. Der Vorstand der PKK berücksichtigt die Warnungen der Führung und seine momentane Lage sowie die Haltung der Gegenseite und entwickelt den Kampf der Situation angemessen. Dies muß man sehen, dann kommt man nicht auf die Idee, es gebe Widersprüche. Dann versteht man die Realität der PKK. Sie wurde nicht an einem Tag geboren und wird nicht an einem Tag verschwinden. Sie ist die Verdichtung der gesellschaftlichen Situation von Jahrhunderten, die in den 70er Jahren in die PKK umgeschlagen ist. Die Türkei kann die PKK nicht leicht zerschlagen. Sie ist eine Philosophie, die mit den Kurden verwoben ist, ihre nationale, soziale und gesellschaftliche Realität beinhaltet. Daher wir die PKK so geführt, wie sie als PKK ist. Wer versucht, sie anders zu führen, stellt sich selbst außerhalb. Es gibt mittlerweile eine erkämpfte Realität. Auch wenn man sagt, die Türkei oder die hinter ihr stehenden Mächte haben die PKK im Norden etwas geschwächt, so ist sie trotzdem nicht am Ende. Denn sie ist nicht auf Nordkurdistan beschränkt. Sie ist auch im Süden und im Osten, überall. Wer versucht, die PKK von dieser Realität zu abstrahieren, kommt zu falschen Ergebnissen. Es gibt bestimmte Aktionen auf dem Land und in den Städten, die so dargestellt werden, als habe die PKK die Lage nicht unter Kontrolle oder als seien sie von Teilen der PKK durchgeführt worden. Was sagen Sie dazu? Nach dem Urteil wollte viele im Volk und in der Armee Aktionen machen, die sie legitim fanden. Die Armee hat dies durch eine zentrale Entscheidung gebremst, und dazu verschiedene Erklärungen veröffentlicht. Auf verschiedene Weise wurde interveniert, so wurden hunderte von Vorbereitungen gestoppt. Sonst hätte sich der Krieg stark ausgeweitet. Es gibt Fedai-Einheiten, sie wären fast aktiv geworden, wurden aber gestoppt. Durch die Erklärungen und andere Mittel haben wir die Kontrolle über die Kriegführung behalten. Wir haben auch betont, daß gegen diejenigen aus dem Volk, die auf eigene Initiative Aktionen durchführen, bei denen Zivilisten zu Schaden kommen, daran gehindert werden müssen. Doch gab es solche Aktionen. Aktionen, die unserer Linie komplett widersprechen und die wir in keiner Weise billigen, wurden in der türkischen Presse ausführlich dargestellt. Wir haben keine klaren Informationen über diese. Besonder über ein Ereignis in Erzurum/Refahiye wurde berichtet. Dort sollen unbewaffnete Zivilisten erschossen worden sein. Wir haben noch nicht herausgefunden, wer das gemacht hat, aber wir untersuchen das. Wir haben ein bestimmtes Verständnis vom Krieg und eine Linie der Kriegsführung. Wenn unbewaffnete Zivilisten erschossen wurden, widerspricht das dieser Linie komplett. Kein/e Kommandant/in einer ARGK-Einheit oder einer mit uns verbundenen Einheit hat solch einen Befehl gegeben. Solche Aktionen bringen nichts, wir billigen sie in keiner Weise. Wenn sie von uns begangen wurde, werden wir einschreiten. Auch wenn sie nicht von uns ausging, werden wir einschreiten. Unsere Kräfte haben überall in einem bestimmten Ausmaß eine Autorität. Wer genau hinsieht, wird feststellen, daß nach der Erklärung des ARGK-Hauptquartiers nur maßvolle Aktionen durchgeführt wurden. |