taz, 23.7.1999 Seite 1 Moldawien: PKK-Mann nicht ausgeliefert Während Außenminister Fischer die Türkei besucht, gerät deren Geheimdienst zunehmend ins Zwielicht: Der angeblich am Dienstag nach Ankara verschleppte PKK-Mann soll bereits seit Sonntag in der Türkei sein Berlin (taz) - Die Störmanöver des türkischen Geheimdienstes MIT haben die Türkei-Visite Joschka Fischers nicht überschattet. "Ich sehe für uns keinen Handlungsbedarf und rechne mit einem rechtsstaatlichen Verfahren für Cevat Soysal", erklärte der Außenminister gestern in Ankara gegenüber Journalisten. Damit war für Fischer die Sache um den gestern überraschend von Ankara präsentierten vermeintlichen PKK-Funktionär Soysal erledigt. Er ging damit weder auf die Forderungen kurdischer Organisationen ein, die den Abbruch seiner Reise forderten, noch ließ er sich in seiner Mission irritieren: "Wir bemühen uns um eine Wiederannäherung beider Seiten." Doch die Frage bleibt: Wie kam Cevat Soysal in die Hände des türkischen Geheimdienstes? Die ERNK, der politische Arm der PKK, und das Innenministerium in Düsseldorf hatten erklärt, Soysal sei in Moldawien festgenommen worden. Wie aber aus Kreisen der Fischer-Delegation zu erfahren war, soll sich Cevat Soysal bereits seit Sonntag und nicht, wie vom türkischen Geheimdienst MIT verlautbart, erst seit Dienstag nacht in der Türkei befinden. Und der erste Sekretär der Moldawischen Botschaft in Berlin, Radu Plamadeala, erklärt gegenüber der taz: "Cevat Soysal wurde weder in Moldawien festgenommen noch von dort entführt, noch von Moldawien an die Türkei ausgeliefert." Die Türkische Botschaft in Bonn teilte mit: "Nach Informationen deutscher und türkischer Zeitungen wurde Cevat Soysal von moldawischen Behörden an die Türkei ausgeliefert." Auf die Frage, welche Erkenntnisse die türkische Regierung über den Herkunftsort Soysals habe, sagte ein Sprecher lapidar: "Er wurde in einem europäischen Land festgenommen." Das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen hält dagegen daran fest, daß der in Mönchengladbach gemeldete anerkannte Asylbewerber Soysal aus Moldawien in die Türkei gebracht wurde. "Wir können uns dabei nur auf unsere Quellen stützen, und die sind in der Regel zuverlässig." Hundertprozentig will man sich in Düsseldorf allerdings auch nicht darauf festlegen, daß Soysal sich wirklich in Moldawien aufgehalten hat. Aus PKK-nahen Kreisen, die am Mittwoch noch vor dem Düsseldorfer Innenministerium die Moldawien-Version kolportierten, wurde gestern mitgeteilt, Soysal solle vor kurzem in Rumänien gewesen sein. Er habe dort an einer Demonstration gegen die drohende Hinrichtung Öcalans teilgenommen. Die Frage, die sich nun stellt: Gibt es inzwischen eine engere Kooperation zwischen der Türkei und Rumänien? Sollte sich die Moldawien-Connection allerdings als richtig erweisen, ist dies für Eberhard Schultz, den Anwalt Cevat Soysals, ein klarer Verstoß gegen internationales Recht. Denn Moldawien hat am 31. Dezember 1997 das europäische Auslieferungsübereinkommen von 1957 unterzeichnet. Und das verbietet Auslieferungen bei politischen Straftaten und bei dem begründeten Verdacht menschenrechtswidriger Behandlung. Schultz fordert deshalb eine Intervention der Bundesregierung. Sie müsse sicherstellen, daß Soysal nicht gefoltert wird und einen Anwalt seines Vertrauens erhält, mit dem nichtüberwachte Gespräche möglich sind. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sieht das anders: Nach der Genfer Flüchtlingskonvention habe Soysal kein Recht auf konsularischen und diplomatischen Schutz durch die Bundesregierung. Eberhard Seidel |