Frankfurter Rundschau 24.7.99 Bonn führt Menschenrechtsklausel bei Rüstungsexporten ein Lage in Empfangsland soll "in jedem Einzelfall" geprüft werden / Grünen-Politikerin Roth fordert strengere Regelung Von Peter Ziller Die Bundesregierung will künftig bei jedem Export von Rüstungsgütern prüfen, ob das gewünschte Material im Empfangsland zu "gravierenden Menschenrechtsverletzungen mißbraucht werden kann". Die geplante Änderung der Exportgrundsätze geht Kritikern freilich nicht weit genug. BONN, 23. Juli. Das Kabinett wird in Kürze die "Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" ändern und damit eine Absprache aus der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnisgrünen umsetzen. Die beiden Parteien hatten verabredet, bei Ausfuhren "den Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches" Kriterium einzuführen. Die Neufassung der Grundsätze, die der FR vorliegt, verpflichtet die Regierung auch, dem Parlament jährlich einen "Rüstungsexportbericht" vorzulegen. Sie wurde vom Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet und soll in einer der nächsten Kabinettssitzungen - wahrscheinlich ohne Aussprache - verabschiedet werden. Das Thema Menschenrechte wird in den an vier Stellen ergänzten Grundsätzen im Vorwort angesprochen. Die Autoren des Wirtschaftsministeriums werten dies in der Begründung positiv: Die Erwähnung in der Präambel verdeutliche die "hohe, übergeordnete Bedeutung, die die weltweite Achtung der Menschenrechte für die deutsche Rüstungsexportpolitik besitzt". Künftig prüfe die Regierung "in jedem Einzelfall", ob das Gut im Empfängerland zu "gravierenden Menschenrechtsverletzungen mißbraucht" werden könne. "Sollte eindeutig eine solche Gefahr bestehen, daß also das entsprechende Rüstungsgut zur internen Repression eingesetzt werden könnte, wird eine Exportgenehmigung nicht ausgestellt", heißt es. Der vom Bundeskongreß entwicklungspolitischer Gruppen getragenen Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport" ist dies nicht restriktiv genug. Ihre Sprecherin Andrea Kolling kritisiert, durch die Attribute "gravierend" und "eindeutig" entstehe großer Ermessensspielraum. Damit werde "nicht ein Panzer oder Hubschrauber weniger exportiert". Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Claudia Roth (Grüne), hat ähnliche Bedenken. Sie plädiert für die Umkehr der Beweislast: Sollte der Gebrauch zu Menschenrechtsverletzungen vom Bezieher "nicht eindeutig ausgeschlossen werden können", müsse auf das Geschäft verzichtet werden. Roth mißfällt auch, daß das Thema Menschenrechte bloß in der Präambel vorkommt. Zusätzlich aufgenommen wird in die Grundsätze die Verpflichtung, "die von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vereinbarten Kriterien des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren vom 8. Juni 1998" anzuwenden. Dieser enthält acht zu beachtende Kriterien, darunter bestehende Embargen, die inneren Verhältnisse im Empfangsland und den Erhalt von Frieden in der Region. Der Kodex läßt allerdings viele Schlupflöcher offen. Allein in diesem Jahr hat die Türkei bereits mehrfach Interesse an Panzern aus deutscher Produktion angemeldet. Es geht um mehr als tausend Stück. Insgesamt gingen die deutschen Exporte von Großwaffen zuletzt aber deutlich zurück. Ihr Wert betrug nach Angaben der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung 1997 etwa 1,2 Milliarden Mark, nach fünf Milliarden Mark Anfang der neunziger Jahre. Der Bundesverband der Deutschen Industrie beklagte soeben die "weiter sehr restriktive" Rüstungsexportpolitik. |