Rechtsanwälte Schultz und Reimers Tel.: 0421 66 30 90
Lindenstr. 14, 28755 Bremen Fax: 0421 65 65 33
(SoysalPE.d)

P R E S S E M I T T E I L U N G

Der kurdische Politiker und in Deutschland anerkannte Asylberechtigter, Cevat Soysal, der aus Moldawien in die Türkei verschleppt wurde, muß vor Folter und Tod gerettet werden!


Zum zweiten Male innerhalb eines halben Jahres hat der berüchtigte türkische Geheimdienst MIT in internationaler Zusammenarbeit einen kurdischen Politiker der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unter offenem Bruch des Völkerrechts in die Türkei verschleppt - diesmal sogar aus einem europäischen Staat, der die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).als Vertragsstaat der EU anzuwenden hätte. Dem für die Europavertretung der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) tätigen 37jähringen Kurden C. Soysal drohen weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, die seine umgehende Rücküberstellung nach Westeuropa erfordern.

1.
Über seine Ehefrau, die in Mönchengladbach lebt, sind wir beauftragt worden, seine Interessen und die der Familie zu vertreten. Herr Soysal ist seit 1995 als politisch Verfolgter anerkannt, nachdem er in der Türkei aufgrund einer zunächst 21jährigen Gefängnisstrafe mehr als sechs Jahre lang von 1980 bis 1987 unter schwersten Folterungen (u.a. wurde ihm sein rechtes Bein durch Folter gebrochen, die Verletzungen sind heute noch deutlich sichtbar) in dem berüchtigten Foltergefängnis Diyarbakir gesessen hat.

Nach seiner Entlassung war er landesweit aktiv in der prokurdischen Partei HEP und dem Menschenrechtsverein IHD und gewerkschaftlich tätig und hat u.a. eine Zeitschrift in Istanbul ("Patriotische Arbeiter") herausgegeben.

Am 28.07.1994 wurde in der Stadt Batman ein Attentat von türkischen Todesschwadronen auf Herrn Cenap Soysal ausgeübt, dem er knapp entkommen konnte, als er von einer Massenveranstaltung mit Freunden auf dem Nachhauseweg war.

Ende 1994 gelang ihm die Flucht nach Westeuropa, wo er weiter politisch für die ERNK tätig war.

Neben den Folterfolgen ist er wegen chronischer aktiver Hepatitis B in ärztlicher Behandlung mit laufender Interferon-Behandlung, leidet an TBC und Depressionen. Nicht nur seine in Deutschland lebende Familie (Ehefrau und drei minderjährige Kinder) und die kurdische Gemeinde haben daher Schlimmstes befürchtet, als am Tage des Besuches von Außenminister Fischer in Ankara der "Geheimdienstcoups" bekannt gegeben und behauptet wurde, Herr Soysal sei "die Nr. 2 oder 3 hinter Abdullah Öcalan". Gestern haben türkische Medien ein Foto des Mandanten in der Mitte von Geheimdienstlern veröffentlicht, das schlimmste Folterungen des Mandanten belegt - der Polizist, der dieses Fotos weitergegeben hat, wird in der Türkei als "Vaterlandsverräter" beschimpft ... und melden heute, daß er heute in ein Krankenhaus verbracht werden mußte.

Nach uns vorliegenden glaubhaften Informationen ist Herr Soysal am 02.07.1999 nach Moldawien gereist, am 13.07. abends zwischen 20.30 Uhr und 21.00 Uhr hat er das Haus seiner Freunde verlassen, um mit der Familie zu telefonieren; nachdem er nicht zurückkam, haben seine Freunde die Polizei aufgesucht die erklärte, er befinde sich bei ihnen und werde verhört. Als sie am nächsten Morgen nachfragten, hieß es, er sei überhaupt nicht bei moldawischen Behörden. Daraufhin wandten sich die Freunde an die deutsche Botschaft und internationale Behörden. Am 19.07. erhielten sie von der Polizei und dem Geheimdienst Moldawiens die Mitteilung, er werde am darauffolgenden Tage entlassen, sie brauchten sich keine Sorgen zu machen. Statt dessen dann am Mittwoche die Meldung, er sei vom MIT aus Europa in die Türkei verbracht worden - wenige Stunden vor Ankunft von Ankunft Außenminister Fischer ...

2.
Wir haben uns zunächst an das Auswärtige Amt mit der Bitte um Hilfe und Unterstützung gewandt und auf die Verletzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.12.1957 hingewiesen.

Danach ist ein bestimmtes Verfahren vorgesehen, in dessen Rahmen sich der Betroffene insbesondere mit dem Argument erfolgreich gegen eine Auslieferung hätte wehren können, daß bei dem Vorwurf politischer Strafverfahren Handlungen nach Artikel 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens eine Auslieferung ausgeschlossen ist (Abs. 1) und die konkrete Gefahr einer politischen Verfolgung bzw. Folter besteht.

Lt. aktuellen türkischen Nachrichten soll der Staatsanwalt beim Staatssicherheitsgericht in Ankara, Yüksel, zuständig sein und die sogenannte Incommunicadohaft auf vier Tage festgesetzt haben, d.h., der Zeitraum, in dem er ohne jeden Kontakt zur Außenwelt von türkischen Sicherheitsbehörden vernommen wird, nachdem er erst gestern den Ermittlungsbehörden überstellt wurde - also offensichtlich eine Woche lang vom MIT verhört und gefoltert wurde.

Türkische Massenmedien haben ein Interview mit einem Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Senkal Atasagun, veröffentlicht, wonach Soysal beim Geheimdienst "sehr wichtige Aussagen gemacht habe ("Sabah"). Aufgrund seiner Aussagen sollen umfangreiche Durchsuchungen und Festnahmen im ganzen Land stattgefunden haben. Nach uns vorliegenden Informationen wurde auch der Bruder in der kurdischen Stadt Batman auf dem Weg nach Ankara festgenommen.

Dieser neue Fall schwerster Menschenrechtsverletzungen verdeutlicht noch einmal eindringlich die Notwendigkeit einer politischen Lösung des Krieges in Türkei-Kurdistans aufgrund einer internationalen Kurdistankonferenz, die nur auf Druck von West-Europa zustande kommen kann.

3.
Wir haben den UNO-Flüchtlingskommissar, amnesty international, medico international, Pro Asyl und andere Menschenrechtsorganisationen um Hilfe und Unterstützung gebeten für die derzeit dringendsten Forderungen:

· Rücküberstellung von Cevat Soysal nach Westeuropa;
· Einrichtung einer internationalen unabhängigen Untersuchungskommission über die Umstände und Hintergründe der Verschleppung;
· sofortige medizinische Behandlung durch einen Arzt seines Vertrauens und einen unabhängigen ausländischen Spezialisten;
· sofortige Zulassung eines Verteidigers seiner Wahl und unüberwachter Verteidigergespräche durch die türkische Justiz.

Wir wenden uns hiermit im Namen der Familie an die Öffentlichkeit, diese berechtigten Forderungen mit Nachdruck zu unterstützen.



Für weitere Informationen stehen wir zur Verfügung


Rechtsanwältin Renate Schultz
(Mobil 0172 525 6732)

Rechtsanwalt H.-Eberhard Schultz
(Mobil 0172 4203 768)

Bremen, 23.07.1999