Wozu braucht Ankara 1000 Leos? Türkische Armee: Machtfaktor und Großunternehmer Von Evangelos Antonaros BM Ankara - Die Nachricht, die Türkei wolle in Deutschland 1000 Panzer vom Typ Leopard 2 A5 bestellen, hat westliche Militärexperten aufhorchen lassen. Mit einem Auftragswert von etwa 15 Milliarden Mark würde es sich nämlich um die größte Bestellung handeln, die je beim Münchner Rüstungskonzern Krauss-Maffei-Wegmann eingegangen wäre. Doch für Türkei-Kenner bildet die von Ankara erwünschte und von deutschen Politikern wie Außenminister Joschka Fischer und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul abgelehnte Lieferung der «Leos» keine Überraschung. Ist doch die türkische Armeeführung seit Jahren im Rahmen einer großangelegten Modernisierung dabei, alle drei Waffengattungen mit neuester Technologie auszustatten. Sie läßt sich die ehrgeizige Beschaffung Milliarden kosten. Beispielsweise wurden in den USA Kampfjets der jüngsten Generation bestellt. Ankaras Rüstungsprogramm unterliegt strengster Geheimhaltung. Zahlen werden, wenn überhaupt, nur fragmentarisch veröffentlicht. Mit jährlich etwa acht Milliarden Dollar machen die Verteidigungsausgaben vier bis fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus - mehr als in jedem anderen Nato-Staat. Zudem soll die Türkei seit Anfang der 90er Jahre etwa 80 Milliarden Dollar für die Bekämpfung der kurdischen Separatisten in Südostanatolien aufgewendet haben. Fragen nach Kosten und Rolle der Armee werden in der türkischen Öffentlichkeit so gut wie nie gestellt. Und das nicht nur, weil dieses Thema für die Medien tabu ist. Beim Durchschnittstürken gelten die Streitkräfte und die «Paschas», wie die 300 Generale und Admirale respektvoll genannt werden, als die bestfunktionierende Institution in einem von Skandalen, Korruption und politischer Unsicherheit geplagten Land. Anders als in Westeuropa hat die türkische Armee nach dem Kalten Krieg nur unbedeutende Kürzungen in Personal- und Rüstungsbereich hinnehmen müssen. Die Ist-Stärke blieb nahezu konstant bei etwa 505 000 Soldaten. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß nach dem Zerfall der Sowjetunion zusätzliche Feindbilder vor allem im Kaukasus entstanden sind. Nach Ansicht der Generalität hat die Türkei kaum einen Nachbarn, auf den sie sich verlassen kann. Seit 1992 gab es eine Verlegung größerer Verbände an die Grenze zum Irak und teilweise auch zum Iran. Hinzu kommt: Laut Verfassung haben die türkischen Streitkräfte das Land auch gegen innere Feinde zu verteidigen. Davon haben die «Paschas» in den letzten Jahren reichlich Gebrauch macht - vor allem im Dauerkonflikt mit den aufsässigen Kurden. Wegen dieser Sonderrolle sind die Militärs mit besonderen Vollmachten ausgestattet. Ihre «Empfehlungen» im Nationalen Sicherheitsrat können die Politiker kaum ignorieren. Äußert sich der Generalstabschef zu tagespolitischen Fragen, macht er Schlagzeilen. Nur auf dem Papier unterstehen die Streitkräfte dem Verteidigungsminister. An diesem vorbei dürfen die Generale über Rüstungsprogramme und Gehaltserhöhungen entscheiden. Auch die Armee-Versorgungskasse Oyak funktioniert seit langem als ein nahezu unkontrolliertes, von Steuerfreiheit profitierendes Industriekonglomerat mit einem unübersichtlichen Geflecht von Firmenbeteiligungen. Ihr Jahresumsatz wird auf sechs Milliarden Dollar geschätzt. Von den satten Ausschüttungen profitieren auch aktive Berufssoldaten durch niedrige Bau- und Konsumkrediten. |