Berliner Zeitung, 31.7.99 Grundsätze für Waffenexporte in der Kritik Den Grünen und Amnesty International gehen Pläne des Wirtschaftsministeriums nicht weit genug Von Sigrid Averesch BERLIN, 30. Juli. Der verteidigungspolitischen Sprecherin der Bündnisgrünen, Angelika Beer, gehen die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zur Einführung einer Menschenrechtsklausel bei Rüstungsexporten nicht weit genug. "Die Pläne stellen zwar eine Verbesserung dar, aber sie sind nicht ausreichend", sagte Beer am Freitag der "Berliner Zeitung". Es genüge nicht, Exporte zu verbieten, wenn die Waffen zu Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden könnten: "Vielmehr muß als Kriterium für das Verbot von Rüstungsexporten gelten, ob mit ihnen militärische Strukturen unterstützt werden, die Menschenrechte verletzen." Als Beispiel nannte Beer die Türkei, in der das Militär politischer Kontrolle entzogen sei. Beer hat sich wiederholt gegen Waffenexporte in die Türkei ausgesprochen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) forderte, restriktive Grundsätze für den Waffenexport gesetzlich zu verankern. Zudem sollten Rüstungstransfers vor einer Entscheidung über eine Exportgenehmigung öffentlich bekanntgemacht werden. Änderungen geplant Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums werden derzeit die "Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" überarbeitet. Künftig soll "in jedem Einzelfall" geprüft werden, "ob das Gut im Empfängerland zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen mißbraucht" werden kann. "Sollte eindeutig eine solche Gefahr bestehen, daß also das entsprechende Rüstungsgut zur internen Repression eingesetzt werden könnte, wird eine Exportgenehmigung nicht ausgestellt", heißt es in der Begründung. Im Vorwort werden wiederum die Menschenrechte betont. Mit dem Vorhaben setzt das Bundeswirtschaftsministerium eine Vorgabe aus den Koalitionsvereinbarungen zwischen SPD und Bündnisgrünen um. In dem Koalitionsvertrag wurde festgelegt, daß bei Rüstungsexport-Entscheidungen "der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium" eingeführt wird. "Politische Absichtserklärung" Als "positiven Schritt" bezeichnet ai-Sprecherin Barbara Erbe das Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums. Doch solange restriktive Vorschriften nicht in das Kriegswaffenkontrollgesetz und in das Außenwirtschaftsgesetz Eingang fänden, seien derartige Pläne "politische Absichtserklärungen". Bislang gilt dort nur ein Exportverbot, wenn die Sicherheitsinteressen Deutschlands beeinträchtigt werden. Nach Einschätzung Erbes bieten auch die überarbeiteten Grundsätze "Schlupflöcher". So böten Formulierungen wie "gravierende Menschenrechtsverletzungen" der Regierung bei der Genehmigung von Waffenexporten einen erheblichen Spielraum. Erbe forderte zudem die Umkehr der Beweislast. Der Empfänger müsse nachweisen, daß die Waffen nicht zu Menschenrechtsverletzungen benutzt werden. Nach Angaben der Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, Regina Wierig, wird derzeit eine Kabinettsvorlage erarbeitet. Voraussichtlich im August soll das Kabinett über die Vorlage des Wirtschaftsministeriums entscheiden. Die Grundsätze für den Rüstungsexport gelten vor allem für Länder wie die Türkei. Die türkische Regierung hat beim Münchener Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann Interesse an dem deutschen Kampfpanzer Leo II A 5 gezeigt. Um die Lieferung von 145 Kampfhubschraubern des Typs "Tiger" im Wert von rund 3,5 Milliarden Dollar an die türkische Armee bewirbt sich neben anderen Anbietern auch das deutsch-französische Konsortium Eurocopter. |