Frankfurter Rundschau 31.7.99 Griechische Türken, türkische Griechen Athens Außenminister Papandreou spricht über moslemische Minderheit im eigenen Land und erbost die Opposition Von Gerd Höhler (Athen) Die konservative Opposition und Abgeordnete der sozialistischen Regierungspartei fordern den Rücktritt von Außenminister Jorgos Papandreou. Er hatte erst mit einer Illustrierten über die moslemische Minderheit in Griechenland gesprochen, dann lobte ihn dafür auch noch die Istanbuler Zeitung Hürriyet. Ausgelöst hatte Außenminister Jorgos Papandreou den Sturm im Wasserglas mit einem am Dienstag erschienenen Interview in der Illustrierten Klick. Darin sprach der Minister über die rund 120 000 Menschen zählende moslemische Minderheit in Nordgriechenland. Die Angehörigen der Minorität klagen seit vielen Jahren über zahlreiche Benachteiligungen und sorgen nun wieder einmal für Kontroversen. In der vergangenen Woche forderten drei moslemische Parlamentsabgeordnete in einem offenen Brief die griechische Regierung auf, die Existenz sowohl einer slawo-mazedonischen als auch einer türkischen Minderheit anzuerkennen. Bisher erkennt Griechenland offiziell nur eine Moslem-Minderheit an, obwohl es sich dabei zu einem großen Teil um ethnische Türken handelt, die seit den Zeiten des Osmanischen Reiches im Norden des Landes leben. Griechische Behörden verfolgten Angehörige der Minorität in der Vergangenheit nicht selten strafrechtlich, wenn sie sich öffentlich als Türken bezeichneten. Außenminister Papandreou sucht einen neuen Ansatz im schwierigen Verhältnis zu der Minderheit. Dazu gehört auch, daß er sich nicht länger hinter Wortbarrikaden verschanzen will. Solange niemand die bestehenden Grenzen in Frage stelle, sei es ihm egal, ob sich die Moslems als Türken, Bulgaren oder Pomaken bezeichneten, sagte Papandreou in dem Interview mit der Illustrierten. "Wenn es griechische Bürger gibt, die glauben, der einen oder anderen ethnischen Gruppe anzugehören, dann entspricht das dem Völkerrecht, und Griechenland respektiert das Völkerrecht", stellte Papandreou klar. Zugleich mahnte er: "Wir sollten über die Substanz der griechisch-türkischen Beziehungen reden statt uns über Selbstverständlichkeiten zu erregen." Das trug dem Minister wohlwollende Kommentare in den türkischen Medien ein, löste daheim aber Rücktrittsforderungen aus. Zu jenen, die nun zeternd die Entlassung des Außenministers verlangen, gehört auch Jannis Kapsis, einer der Wortführer des nationalistischen Flügels der regierenden Sozialisten. Wie man nach seiner Meinung mit den Moslems umzugehen hat, demonstrierte Kapsis bereits Anfang der achtziger Jahre als Staatssekretär im griechischen Außenministerium. Er war geistiger Vater eines Geheimer- lasses, der den örtlichen Behörden vorschrieb, bei der Vergabe von Genehmigungen für Neubauten, den Betrieb von Geschäften und Handwerksbetrieben sowie anderen Anträgen nach dem Schlüssel "19 zu 1" zu verfahren. Auf 19 Genehmigungen für "echte" Griechen durfte höchstens eine für die moslemische Minderheit entfallen. |