fr, HAZ, 2.8. Das Reizwort Öcalan kam nicht zur Sprache Griechen und Türken loten in Gesprächen vorsichtig Gemeinsamkeiten aus Von Gerd Höhler (Athen) Griechenlands Außenminister Jorgos Papandreou lobt das "konstruktive Klima", und der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit sieht "positive Signale". Die beiden verfeindeten Nato-Partner scheinen entschlossen, miteinander ins Gespräch zu kommen - wenn auch zunächst über unverfängliche Themen. Vier Tage lang beschnupperten sich griechische und türkische Diplomaten vergangene Woche, zunächst in Ankara, dann in Athen. Greifbare Resultate darf man in der gegenwärtigen Phase dieses ersten griechisch-türkischen Dialogs seit rund zehn Jahren nicht erwarten. Schon dass man überhaupt wieder miteinander redet, ist ein Fortschritt. Beide Delegationen gaben sich Mühe, diese ersten Sondierungen nicht mit kontroversen Themen zu belasten. Was die beiden Völker trenne, sei bekannt, sagte Papandreou. Bei diesem Dialog solle es darum gehen, Gemeinsamkeiten zu identifizieren. So blieben die eigentlichen Streitfragen - das Zypernproblem, der Konflikt um die Hoheitsrechte in der Ägäis und die türkischen Gebietsansprüche auf eine Anzahl bisher zu Griechenland gehörender Inseln - ausgeklammert. Stattdessen beschränkte man sich darauf, Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Tourismus, beim Umweltschutz, im bilateralen Handel und im Kulturbereich auszuloten. Warum dampft die Fähre, die von Piräus zur Insel Chios fährt, nicht weiter ins türkische Izmir? Warum sollten griechische und türkische Touristikunternehmer ihre Angebote nicht gemeinsam vermarkten und Unternehmer aus beiden Ländern in gemeinsame Projekte investieren? Warum gehen Griechen und Türken nicht daran, wie einst Deutsche und Polen, Vorurteile und Stereotypen aus ihren Schulbüchern zu tilgen? Warum sollte es keine Zusammenarbeit zur Rettung des bedrohten Deltas des Grenzflusses Evros geben, eines der wichtigsten Biotope der Balkanregion? Solche Ideen könnten zur Diskussion stehen, wenn die Delegationen am 7. September in die nächste Gesprächsrunde gehen. Spektakuläre Ergebnisse dürfe man nicht erwarten, dämpft Außenminister Papandreou die Erwartungen, man stehe erst am Beginn eines langen, schwierigen Prozesses. Dass beide Seiten entschlossen sind, den mühsam und gegen erhebliche Widerstände in beiden Ländern angeknüpften Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, zeigte sich auch am Freitag, als das Thema Verbrechensbekämpfung auf der Tagesordnung stand. Den Griechen geht es vor allem darum, den Drogenschmuggel aus Anatolien zu unterbinden und den Strom illegaler Einwanderer zu bremsen, die von türkischen Schlepperbanden fast täglich über die Ägäis und den Evros geschleust werden. Den Türken dagegen fallen zu diesem Thema vor allem drei Buchstaben ein: PKK. Ankara wirft der Athener Regierung seit Jahren vor, sie unterstütze die kurdischen Rebellen. Griechenland wies diese Anschuldigungen stets zurück, musste sich aber ertappt fühlen, als herauskam, dass PKK-Chef Abdullah Öcalan zwei Wochen lang in der griechischen Botschafter-Residenz in Nairobi Unterschlupf gefunden hatte. Das löste damals in der Türkei einen Sturm der Entrüstung aus. Staatschef Süleyman Demirel geißelte Griechenland als "Staat der Gesetzlosen". Aber nicht einmal die Öcalan-Affäre vermochte jetzt das gute Gesprächsklima zu stören. "Behutsam", so ein griechischer Diplomat, habe die türkische Delegation vorgetragen, wie wichtig ihr die Frage der Terrorismusbekämpfung sei. Bei dieser allgemeinen Feststellung blieb es. "Der Name Öcalan", so die Griechen, "kam gar nicht zur Sprache." |