taz, 2.8.1999 Seite 8 "Hallo Nachbar", flötet der Admiral ins Handy Gesprächsrunde zwischen Türkei und Griechenland bringt zaghafte Annäherung Istanbul (taz) - Die Geschichte könnte aus einem Werbespot von Nokia stammen. Ende letzter Woche enthüllte Admiral Dervisoglu, Chef der türkischen Marine, warum es im vergangenen Jahr keine Zwischenfälle in der Ägäis gegeben habe. Er habe, plauderte er im Fernsehen, vor geraumer Zeit mit seinem griechischen Amtskollegen die Handynummer getauscht und immer, wenn es eine angespannte Situation gegeben habe, habe man sich auf per Handy verständigt. Die Bekenntnisse des Admirals passen in die derzeitige türkisch-griechische Landschaft. Nach Jahren schlimmster verbaler Anfeindungen, die 1996 fast in einen bewaffneten Konflikt gemündet wären, sind die griechische und türkische Regierung jetzt erstmals wieder direkt miteinander im Gespräch. Vier Tage lang, am Montag und Dienstag in Ankara und dann am Donnerstag und Freitag in Athen, redeten hohe Beamte der beiden Außenministerien über Tourismus, Umweltschutz, grenzüberschreitende Kriminalität, Flüchtlinge und Terrorismusbekämpfung - offenbar mit Erfolg. Am Ende der Woche machte sich zumindestens in der Türkei ein vorsichtiger Optimismus breit. Kommentatoren sprachen vom Beginn eines griechisch-türkischen Frühlings. Die Initiatorendes Dialogs sind die beiden Außenminister Jorgos Papandreou und Ismael Cem. Cem fand in Jorgos Papandreou, der durch den Sturz seines Vorgängers im Zuge der Öcalan-Affäre im März Außenminister wurde, einen optimalen Partner. Beide sind davon überzeugt, dass die Feindschaft zwischen den Nachbarn mehr Schaden als Nutzen bringt. In der Vergangenheit scheiterten solche Ansätze meistens daran, dass entweder der jeweilige griechische oder türkische Ministerpräsident nicht interessiert war oder aber sich innenpolitisch nicht durchsetzen konnte. Um überhaupt erst einmal ins Gespräch zu kommen, vereinbarten die beiden Außenminister daher, dass die Delegationen sich zunächst nicht mit umstrittenen Fragen wie der territorialen Zugehörigkeit bestimmter Ägäisinseln oder Zypern beschäftigen, sondern einvernehmlichere Themen abhandeln. Tatsächlich diente die letzte Woche denn auch vor allem atmosphärischen Lockerungsübungen. Man vereinbarte gemeinsame Aktionen im Tourismus und gemeinsame Anstrengungen zum Umweltschutz in der Ägäis, man redete über das Bild des jeweils anderen in den Schulbüchern, und selbst beim heiklen Punkt "Terrorismus" hielt sich die türkische Delegation mit Klagen über die griechische Unterstützung der PKK zurück und gab sich mit einer allgemeinen Debatte über die Frage "Was ist Terrorismus" zufrieden. Während Jorgos Papandreou die Gespräche von seinem Ferienhaus auf Korfu aus verfolgte, musste sein türkischer Kollege in Ankara sich mit iranischen Vorwürfen über grenzüberschreitende Aktionen der türkischen Armee auseinandersetzen. Trotzdem traf man sich am Freitag am Rande des Balkan-Gipfels in Sarajevo, wo Cem und Papandreou befriedigt feststellten, dass zumindestens der erste Teil ihres Plans geglückt ist: Die beiden Länder sind wieder miteinander im Gespräch. Unterdessen ist allerdings Jorgos Papandreou in Athen heftig unter Beschuss geraten. In einem Interview hatte er an ein Tabu der griechischen Politik gerührt und es gewagt, darauf hinzuweisen, dass die muslimische Minderheit in Nordgriechenland, rund 120.000 Menschen, ganz überwiegend türkischer Herkunft sei. Man solle doch um diese Tatsache nicht länger herumreden. Papandreou erntete einen Aufschrei der Entrüstung. 18 Vorstandsmitglieder seiner eigenen Partei Pasok fordern seitdem seinen Rücktritt und Regierungschef Simitis stellte öffentlich klar, dass sich die Minderheitenpolitik der Regierung nicht ändern werde. Bislang lässt Papandreou sich von der Kritik aus den eigenen Reihen nicht beeindrucken. Als er am Samstag die beiden Verhandlungsdelegationen empfing - die Gespräche werden in der zweiten Septemberwoche fortgesetzt - bekräftigte er seinen Stundpunkt und sagte, er werde sich mit seinen Kritikern nach seinem Urlaub zusammensetzen. |