taz, 4.8.1999 Geiselpoker zwischen Berlin und Teheran Die Festnahme eines iranischen Spions nährt Spekulationen über einen möglichen Austausch mit dem deutschen Geschäftsmann Hofer. Berlin (taz) - Die relative Freiheit währte nur etwas mehr als drei Monate. Seit Sonntag sitzt Helmut Hofer (55) wieder im Teheraner Evin-Gefängnis. Der deutsche Geschäftsmann war wegen einer angeblichen sexuellen Beziehung zu einer Muslimin im Iran zweimal zum Tode verurteilt worden. Beide Urteile wurde jedoch von höheren Instanzen wegen Verfahrensfehlern wieder aufgehoben. Im April schaffte es der damalige Kanzleramtsminister Bodo Hombach bei einem Besuch in Teheran, Hofer aus dem Gefängnis zu holen. Seitdem wartete er im Gebäude des Deutschen Archäologischen Instituts auf seinen neuen Prozesstermin am 11. August. Laut der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur Irna begründen die Behörden die erneute Verhaftung damit, dass Hofer "Kontakte zu verdächtigen ausländischen Elementen" unterhalten und deswegen Fluchtgefahr bestanden habe. Eine wenig glaubwürdige Erklärung: Hofer stand unter ständiger Observation und wagte sich kaum auf die Straße. Wahrscheinlicher ist eine Verbindung zur Festnahme eines iranischen Geheimdienstagenten am 14. Juli in Berlin, der zweite in Deutschland verhaftete iranische Spion innerhalb weniger Wochen. Die Bundesanwaltschaft gibt seinen Namen mit Hamid Chorsand (36) an. Er habe als Student getarnt exiliranische Gruppen ausspioniert. Den deutschen Ermittlern sei er ins Netz gegangen, weil sie seine nach Teheran gesendeten Funksprüche abgefangen hätten. Nur, unter ExiliranerInnen in Berlin ist Chorsand unbekannt. Und warum verhaften die deutschen Behörden ausgerechnet einen Iraner, der Landsleute ausspioniert? Die Interessen der Bundesrepublik tangiert das kaum, wohl aber das deutsch-iranische Verhältnis. Und das soll nach dem Willen der Bundesregierung gerade verbessert werden. Wahrscheinlicher ist deshalb, dass Chorsand seine Agententätigkeit auf anderen Gebieten entfaltete. Nach Angaben des gewöhnlich gut informierten, in Paris produzierten Internet-Dienstes Iran Press Service war Chorsand ein Vertrauter Kazem Darabis, jenes Geheimdienstlers, der als Drahtzieher des Mykonos-Attentats - des Mordanschlags auf vier oppositionelle iranische Kurden 1992 in Berlin - verurteilt und inhaftiert ist. Demnach besuchte Chorsand Deutschland zuerst im Jahr 1980, ein Jahr nach der Islamischen Revolution und glühender Anhänger derselben. Zuerst zog er nach Darmstadt, dann nach Berlin, wo er an der Technischen Universität Elektrotechnik studierte. Am 24. April 1982 war Chorsand am Sturm auf ein hauptsächlich von iranischen Gegnern der Islamischen Republik frequentiertes Studentenwohnheim in Mainz beteiligt. Die etwa einhundert Angreifer töteten einen ihrer Gegner und verletzten Dutzende. Unter den Angreifern war auch Kazem Darabi, der anschließend zu acht Monaten Haft verurteilt wurde. Chorsand sollte erst in seine Heimat abgeschoben werden, durfte aber nach Intervention der Iranischen Botschaft bleiben. Später stellte sich heraus, dass der Überfall vom iranischen Geheimdienst angezettelt worden war, unter der Federführung von Darabi. Der in Teheran inhaftierte Geschäftsmann Hofer vermutete in einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief, Irans Geheimdienst nutze ihn als Geisel zur Freipressung des in Berlin inhaftierten Darabi. Weil die deutschen Behörden dies ablehnten, müsse er im Gefängnis "verrotten". Diplomaten in Teheran und Bonn gehen inzwischen von der Richtigkeit dieser These aus. Was Bodo Hombach den Iranern im April anbot, um Hofer zumindest auf freien Fuss zu bekommen, ist sein Geheimnis. Offiziell will er nicht einmal einräumen, dass, wie die Iraner behaupten, eine Kaution gezahlt wurde. Die erneute Festnahme des Deutschen ist jedenfalls ein Hinweis darauf, dass der Handel nicht aufgegangen ist - und wohl auch eine Antwort auf die Festnahme Chorsands. So sieht es jedenfalls auch die iranische Zeitung Dschomhori Islami (Islamische Republik), die am Montag ebenfalls einen Zusammenhang zwischen den Fällen Hofer und Chorsand herstellte. Das Blatt gilt als Sprachrohr der iranischen Konservativen und des Geheimdienstes. Einen kleinen Lichtblick für Hofer bietet die ganze Affäre jedoch: Im Gegensatz zu Darabi ist Chorsand nicht in Deutschland rechtskräftig verurteilt. Seine Abschiebung in den Iran dürfte deshalb für die Behörden letztendlich vertretbar sein - und damit ein Tausch gegen Hofer. Thomas Dreger |