Frankfurter Rundschau 6.8.99

Kommentar:

PKK-Angebot - Ankara am Zug

Stehen wir wirklich, wie es die Führung der PKK nun formuliert, vor einem Wendepunkt in der Geschichte des kurdischen und des türkischen Volkes? Geht der Kurdenkrieg zu Ende, der seit 1984 mehr als 30 000 Menschen das Leben kostete? Niemand vermag das heute zu sagen. Zu viele Fragen bleiben auch nach dem jüngsten Friedensaufruf der PKK-Führung unbeantwortet. Werden die Kommandeure der Kurdenguerilla dem Appell wirklich folgen? Und wenn sie tatsächlich die Waffen strecken: Was soll dann aus jenen fünf-, vielleicht zehntausend PKK-Kämpfern werden, die sich nun noch in den Bergen der Ost- und Südosttürkei, in den PKK-Lagern in Nordirak und Iran versteckt halten?

Darauf muss vor allem die Regierung in Ankara eine Antwort geben. Die türkischen Politiker sind am Zug. Wenn die sich jetzt bietende Chance auf Frieden im Kurdenkonflikt genutzt werden soll, müssen sie den PKK-Kämpfern die Perspektive einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft anbieten, etwa in Form einer Amnestie.

Wenn die vom Kurdenkrieg verwüsteten Südostprovinzen dauerhaft befriedet werden und wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen sollen, wird es aber darüber hinaus eines entschlossenen Kurswechsels in der Kurdenpolitik bedürfen. Dazu müsste als Erstes gehören, das kurdische Sprachverbot in den Massenmedien und Schulen aufzuheben und zumindest eine kulturelle Identität der Kurden anzuerkennen.

Gerd Höhler, Hannover