Walsroder Zeitung, 7.8.99 PKK-Flügel wollen Friedensappell Öcalans folgen Istanbul/Köln (dpa) - Die militärischen und politischen Flügel der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wollen dem Friedensaufruf von PKK-Chef Abdullah Öcalan folgen. Die Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARGK) sehe den Appell als «Befehl» an und wolle sich aus der Türkei zurückziehen, hieß es in einer Erklärung, die die kurdische Nachrichtenagentur DEM (Köln) am Freitag verbreitete. In welche Länder die Rebellen gehen sollen, wurde nicht gesagt. Der von einem türkischen Gericht zum Tode verurteilte Öcalan verteidigte seinen Aufruf, den bewaffneten Kampf aufzugeben, und erklärte, dass sein Friedensappell nicht aus bloßen taktischen Gründen erfolgt sei. Sein Berufungsverfahren gegen das Todesurteil beginnt am 7. Oktober. Über seine Anwälte ließ Öcalan am Freitag erklären: «Ich möchte vor allem deutlich sagen, dass dieser Aufruf nicht aus bloßen taktischen, sondern aus strategischen Gründen gemacht wurde.» Es sei für alle Seiten positiv, wenn sich die PKK-Kämpfer aus der Türkei zurückziehen. Sonst gingen die Provokationen weiter. «Das ist die beste Lösung für die Türkei», sagte Öcalan. Auf die Frage vieler Kritiker, warum er den Rebellen nicht befohlen habe, sich zu ergeben, sagte er, dies sei unrealistisch. Der PKK-Chef hatte die Rebellen am Dienstag aufgerufen, zum 1. September den bewaffneten Kampf zu beenden und ihre Kräfte aus der Türkei abzuziehen. Am Donnerstag hatte der PKK-Führungsrat Öcalan seine volle Unterstützung zugesichert. Der militärische Arm der PKK (ARGK) will nach dem 1. September keine bewaffneten Aktionen mehr durchführen. Allerdings wollen die Kämpfer ihr Recht auf Selbstverteidigung nutzen. Auch der politisch-propagandistische Arm, die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), unterstützt den Aufruf. Dies sei ein historischen Schritt, teilte die europäische ERNK-Führung mit. Die ERNK wies die Türkei zudem auf die Ernsthaftigkeit des Angebotes hin. Öcalan war am 30. Juni auf der Gefängnis-Insel Imrali wegen Hochverrats und zahlreicher Morde zum Tode verurteilt worden. Der Kassationshof überprüft derzeit das Todesurteil. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, soll das Berufungsverfahren am 7. Oktober beginnen. Dieses Datum sei den Anwälten des Separatistenführers inzwischen mitgeteilt worden. Die endgültige Entscheidung werde aber voraussichtlich an einem anderen Tag fallen. Sollte diese letzte Instanz den Richterspruch bestätigen, muss das Parlament einer Hinrichtung ausdrücklich zustimmen. Sollte das Urteil verworfen werden, muss der Fall neu verhandelt werden. Die ARGK kritisierte in ihrer Erklärung einen Überfall auf einen Kleinbus im Südosten des Landes zu Beginn dieser Woche und bezeichnete die Tat ebenfalls als «Provokation». Bei dem Angriff, den die türkischen Behörden der PKK zugeschrieben haben, waren sechs Menschen getötet und mehrere verletzt worden. Unterdessen haben Sicherheitskräfte in der Provinz Van im Südosten der Türkei zwei PKK- Rebellen getötet, berichtete Anadolu. Bei weiteren Gefechten in Van sei ein türkischer Soldat getötet worden. Die türkische Zeitung «Milliyet» berichtete am Freitag, dass Geheimdienstkreise und Sicherheitskräfte nicht davon ausgehen, dass der Terror nach dem 1. September zu Ende sein wird. Nach Einschätzung von «Milliyet» könnten sich die Rebellen vor allem in den Nordirak und Iran, aber auch nach Syrien, Aserbaidschan und Griechenland zurückziehen. Die PKK-Kämpfer könnten aber auch nach Italien, Rumänien und Deutschland ausweichen. Die türkische Regierung hatte sich bereits in den vergangenen Tagen zurückhaltend gezeigt und Verhandlungen mit der PKK ausgeschlossen. Nach türkischen Angaben sind in den vergangenen 15 Jahren bei Kämpfen zwischen der PKK und dem türkischen Militär rund 32 000 Menschen getötet worden. |