fr, 9.8.

"Jetzt muss die Türkei antworten"

FR-Interview: Kurdische Sprecherin Koc zum Angebot der PKK


Der Friedensappell des in der Türkei zum Tode verurteilten PKK-Führers Abdullah Öcalan könnte im türkisch-kurdischen Konflikt den Wendepunkt markieren. Legt die PKK die Waffen nieder? Lässt sich die türkische Regierung auf einen Frieden ein? Das Kurdistan-Information-Zentrum, eben von Köln nach Berlin umgezogen, begleitet die Entwicklung seit vielen Jahren. Mit seiner Sprecherin Nilüfer Koc sprach FR-Korrespondent Ullrich Fichtner.

FR: Frau Koc, bringt die Friedensbotschaft Abdullah Öcalans die entscheidende Wende im Konflikt um Kurdistan?

Nilüfer Koc: Sie ist ein wesentlicher Schritt, weil sie den Rückzug der bewaffneten Einheiten konkret ankündigt. Öcalan hat im Juni das Grundkonzept für eine demokratische Lösung des Konflikts vorgestellt. Die jetzige Erklärung vertieft die Vorschläge und gibt erstmals einen Rahmen für praktisches Handeln. Die Kurden wissen nun genauer, wo es hinläuft.

Hat es Sie überrascht, dass der Präsidialrat der PKK Öcalans Aufruf sofort "voll und ganz" zugestimmt hat?

Überrascht hat mich das deshalb nicht, weil klar war, dass es keine Differenz zwischen der PKK-Führung und Öcalan gegeben hat und gibt. Das hat sich während des ganzen Gerichtsverfahrens gegen Öcalan deutlich gezeigt: Die PKK hat jeden Vorschlag Öcalans sofort positiv aufgenommen und unterstützt.

Dennoch gibt es in der PKK nicht nur gemäßigte Kräfte. Fürchten Sie, dass der kurdischen Bewegung eine Spaltung bevorsteht?

Ich halte die Skepsis, was die Einheit der PKK angeht, für falsch. Sie entspringt einem falschen Blickwinkel: Man glaubt immer, wenn Befreiungsbewegungen an den Punkt einer möglichen politischen Lösung gelangen, spalten sie sich in Hard- und Softliner, wie das etwa bei der Palästinensischen Befreiungsorganisation der Fall war. Die PKK hat aber unter ganz anderen Umständen und an sehr vielen verschiedenen Fronten gekämpft und war von Beginn an viel stärker auf Einigkeit angewiesen als andere Bewegungen. So hat sie sich zu einer sehr gut strukturierten Organisation entwickelt - ohne jede Tendenz zu Abspaltungen. Natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten. Die Kriegsleiden der vergangenen 15 Jahre haben die Kurden der Türkei gegenüber sehr skeptisch gemacht. Deshalb fragen viele, ob sich die Türkei nun überhaupt bewegen wird. Einig aber sind sich alle Kurden - einschließlich des militärischen Flügels der PKK - darüber, dass angesichts der derzeitigen Lage im Mittleren Osten die einzig realistische Linie die Friedenslinie ist.

Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für die Arbeit der Kurden im Ausland - auf Ihre Arbeit in Deutschland? Ist die Zeit der Proteste vorbei?

Die PKK hat immer versucht, ihre Anhänger unter Kontrolle zu halten. Derzeit muss niemand Befürchtungen haben, dass es zu größeren Aktionen kommt. Wir werden, auch die PKK wird das, dafür arbeiten, die neue Friedenspolitik hier in Europa zu verankern. Es gibt in dieser Richtung ja auch positive Signale der deutschen Bundesregierung. Die Türkei-Reise von Außenminister Joschka Fischer etwa, seine Forderung, keine Todesstrafe gegen Öcalan zu verhängen, ist von den Kurden sehr positiv aufgenommen worden. Allerdings muss Deutschland gerade jetzt zu einer klaren Position im Kurden-Konflikt finden. Abschiebungen und die Verbotspolitik gegen die PKK sind kontraproduktiv.

Falls sich die Friedenslinie durchsetzt, werden die Konfliktparteien aller Voraussicht nach auf internationale Vermittlung angewiesen sein. Wer käme da in Frage?

Internationale Vermittlung ist in der Tat im Augenblick die allererste Notwendigkeit. Die PKK hat ihrerseits alles auf den Tisch gelegt und konkrete Schritte vorgeschlagen. Jetzt muß die Türkei einige Antworten geben. Leider sind die Aussagen bislang nicht förderlich. Die türkische Regierung lehnt Gespräche mit der PKK weiterhin ab und setzt offenkundig auf die harte Linie. Ein Vermittlungsversuch von außen wäre deshalb absolut notwendig. Die europäischen Länder, und ich denke vor allem an die Bundesrepublik, wären dafür geeignet. In Deutschland lebt einerseits ein großer Teil der kurdischen Diaspora, andererseits sind die Beziehungen zur türkischen Regierung freundschaftlich. Die Reise Fischers hat auch gezeigt, dass sich die deutsche Außenpolitik im Mittleren Osten stärker engagieren will. Somit wäre die Bundesregierung die allererste Adresse, wenn ein Vermittler gesucht wird.