jw, 9.8. Türkischer Gewerkschafter ermordet Attentat erfolgte zeitgleich mit Protestaktionen gegen massiven Sozialabbau Der Generalsekretär des größten türkischen Gewerkschaftsbundes (Türk-Is), Semsi Denizer, ist am Samstag vor seinem Haus am Schwarzen Meer erschossen worden. Der mutmaßliche Täter wurde nach einem Bericht des staatlichen Nachrichtensenders TRT festgenommen. Als Motiv habe er Streit um Schulden angegeben. Diese Begründung wurde von Politikern und Gewerkschaftsführern aber umgehend in Zweifel gezogen. Der 43jährige Verdächtige, der wegen Mordes bereits sieben Jahre im Gefängnis saß, trug bei seiner Festnahme nach Informationen von TRT zwei Waffen bei sich. Der Mord an Denizer geschah just zu dem Zeitpunkt, da die türkischen Gewerkschaften vehement gegen die von der Regierung geplante Demontage des Sozialsystems protestieren. Denizer wurde vor seinem Haus in Zonguldak am Schwarzen Meer mit 13 Schüssen niedergestreckt. Der 48jährige <Bild: Abbildung> sei zunächst in ein Krankenhaus gebracht worden, dort aber seinen Verletzungen erlegen. Der mutmaßliche Täter unternahm laut einem Bericht des türkischen Nachrichtenkanals NTV nach seiner Festnahme einen Selbstmordversuch. Er habe sich vor der Polizeistation eine Waffe an den Kopf gesetzt, sei aber überwältigt worden, bevor er abdrücken konnte. Der Gouverneur von Zonguldak, Ismet Metin, bezweifelte, daß ein Geldstreit Grund für den Mord war. Dieses Motiv sei »nicht überzeugend«, sagte er nach Angaben von NTV. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende von Türk-Is, Bayram Meral: »Da stecken andere hinter diesem Mordanschlag.« Er forderte, die Hintergründe aufzuklären. Auch andere Gewerkschaftsführer zeigten sich schockiert und bezeichneten die Tat als »Schlag gegen die gesamte Arbeiterbewegung«. Die Polizei informierte zunächst nicht über die Vernehmung des Festgenommenen. Der Mord fiel zusammen mit Protesten von 15 Gewerkschaften gegen Pläne der Regierung in Ankara, das soziale Netz in der Türkei zu reformieren. Hauptstreitpunkt ist die vorgesehene Anhebung des Rentenalters von 55 auf 60 Jahre für Männer und von 50 auf 58 Jahre für Frauen. Die türkischen Gewerkschaften hatten dies als »totale Unterwerfung unter den Internationalen Währungsfonds« kritisiert und in den vergangenen Wochen in zahlreichen Städten demonstriert. Ein eigentlich für Freitag geplanter Generalstreik wurde aber wieder verschoben, nachdem die Regierung in einigen Punkten eingelenkt hatte.
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