junge Welt 20.8.1999 Eine mutige Tat Nach der Strafanzeige in Wien kam Kritik aus den USA Wie könnt ihr nur den Issat Ibrahim gehen lassen? Die Vorwürfe aus Washington kamen prompt und waren deutlich. Österreich habe eines der ranghöchsten irakischen Führungsmitglieder, gegen das eine Strafanzeige wegen Menschenrechtsverletzungen vorliege, aus seinem Genesungsurlaub im Alpenland zurück nach Bagdad reisen lassen. Mithin hat sich die Regierung in Wien, wenn nicht gar der Strafvereitelung, so doch mindestens der Menschenrechtsignoranz schuldig gemacht. Das wurde zwar nicht direkt so gesagt, stand aber fettgedruckt zwischen den Zeilen aus Übersee. Issat Ibrahim ist stellvertretender Vorsitzender des Kommandorats der Revolution, Vizesekretär der regierenden Baath-Partei und stellvertretender Oberbefehlshaber der irakischen Streitkräfte - alleine die Ämter und deren Häufung klingen dem State Department und seiner Menschenrechtsvorfeldorganisation Human Rights Watch als verbrechensverdächtig. »Unserer Ansicht nach sollte kein Land Ibrahim das Herumreisen erleichtern, aus welchen Gründen auch immer«, führte US-Außenamtssprecher James Rubin sein Klageverdikt wider Reisefreiheit und Unschuldsvermutung aus. Das neue amerikanische Rechtsverständnis ist einfach und billig. Man nehme einen CIA-Agenten und erstatte publicity-trächtig eine Folteranzeige, der unliebsame Gegenpart ist in den meisten Fällen dank medialer Vorarbeit ohnehin so gut wie schuldig gesprochen. Auf jeden Fall aber kann Washington auf dessen Inhaftierung insistieren. Klagevertreter in Österreich war Kommunalpolitiker Peter Pilz. Unter Aufbietung juristischer Winkelzüge versuchte er, seine Regierung in die Pflicht zu nehmen und Ibrahim vor den Kadi bringen zu lassen. Jubel bei den Menschenrechtlern über diese mutige Tat des Grünen, der nicht davor zurückzuschrecken scheint, gegen die ganz großen Verbrecher vorzugehen. Während in Wien empörte Menschenrechtsfreunde tatenlos den Abflug ihres verhaßten Ibrahim mitansehen mußten, tankten die USA und Großbritannien ihre Kampfjets für neue Angriffe gegen Irak. Über 1 100 Raketen haben die Warlords allein dieses Jahr auf das Land abgefeuert, 133 Irakis wurden bei den Luftangriffen getötet. In der vergangenen Woche verwies unterdessen das UN- Kinderhilfswerk auf den unsichtbaren und anhaltenden Massenmord im Irak. 500 000 Kinder könnten heute noch am Leben sein, gäbe es die todbringenden Sanktionen gegen das Zweistromland nicht. Doch wer käme deshalb auf die verwegene Idee, Strafanzeige gegen William Clinton und Anthony Blair zu erstatten, damit die feinen Herren keinen Urlaub mehr im Ausland machen können. Rüdiger Göbel |