aus Kurdistan Rundbrief 11.8.1999

Waffengeschäfte

Deutsch-türkische Waffen- und Lizenzgeschäfte: Bundesregierung weiß (fast) nichts

Nach "Lizenzverträgen deutscher Rüstungsfirmen mit der Türkei" hatte die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke kürzlich die Bundesregierung gefragt. Hintergrund waren Berichte vor allem in der renommierten Rüstungszeitschrift "Jane's Defence Weekly" über neue deutsch-türkische Waffengeschäfte. Inzwischen liegen die Antworten der Bundesregierung vor.

Auf die Frage der Abgeordneten, ob die Bundesregierung näheres zu den in "Jane's Defence Weekly" vom 12. Mai 1999 gemeldeten Verhandlungen zwischen der Hamburger Werft Blohm + Voss und türkischen Stellen über neue Fregatten wisse, antwortete der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf, für die Bundesregierung, ihr lägen "keine Erkenntnisse" vor außer den ohnehin bekannten, daß in der Türkei nach Lizenzen von Blohm + Voss Fregatten vom Typ MEKO 200 gebaut würden. Material dafür werde aus der BRD "nur noch in geringem Ausmaß bis Jahresende zugeliefert."

Über die in "Jane's Defence Weekly" schon im vergangenen Oktober (28.10.98) gemeldete Lizenzproduktionen von immerhin 500.000 neuen Heckler&Koch-Gewehren und 1.500 neuen Granatwerfen in der Türkei nach deutschen Lizenzen "liegen der Bundesregierung Erkenntnisse nicht vor", auch nicht über den in "Jane's Defence Weekly" am 27.1.99 gemeldeten Produktionsbeginn. Vereinbarungen über solche Lizenzproduktionen, z.B. zum Schutz der kurdischen Bevölkerung, seien "bei kommerziellen Lieferungen nicht üblich", teilt der Staatssekretär darüber hinaus lakonisch mit, und seien in diesem Fall auch zwischen Bundesregierung und türkischer Regierung nicht abgeschlossen worden. Entsprechend weiß die Bundesregierung auch nicht, was mit den mit deutschen Lizenzen hergestellten Gewehren nach deren Fertigung geschieht, auch nicht mit den Granatwerfern. Immerhin wird damit eine Meldung in "Jane's Defence Weekly" vom 14. April 1999, wonach die Bundesregierung bei den Granatwerfern den Technologietransfer blockiere, von diesem allwissend-unwissenden Staatssekretär wenigstens dementiert. Die Bundesregierung blockiert also nicht.

Drittens hatte die Bundestagsabgeordnete wissen wollen, was die Bundesregierung über türkische Anfragen betr. die Co-Produktion von sechs Minenräumbooten wisse. Hier weiß die Bundesregierung wenigstens, daß die türkische Regierung eine solche international ausgeschrieben hat und daß sich deutsche Firmen bewerben. Ob für ein solches Geschäft am Ende auch Bundesmittel fließen - z.B. eine Bürgschaft - weiß der Staatssekretär dann wieder nicht, es "liegt kein aktueller Antrag" vor.

Der vierte Fragenkomplex betraf einen Vertrag zwischen der deutsch-französischen Firma "Eurocopter" und der türkischen Regierung, der am 19. März dieses Jahres unterschrieben wurde und die Lieferung von 8 Cougar-Hubschraubern an die Türkei vorsieht. Hier weiß der Staatssekretär zur Abwechslung wenigstens mal Bescheid, hat aber keine Bedenken, denn, so Siegmar Mosdorf, hier "handelt es sich um ein rein französisches Geschäft", und "die Bundesregierung bewertet Rüstungslieferungen anderer EU-Staaten nicht".

So wird aus der größten deutschen Firma DaimlerChrysler, die über ihre Tochter DASA 1 von 2 Eigentümern der Firma "Eurocopter" ist, auf einmal ein "anderer EU-Staat" und damit kein Thema für die Bundesregierung.

Womit abschließend wieder einmal sonnenklar ist, wofür in diesem Land Staatssekretäre wie der Herr Siegmar Mosdorf vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie teuer bezahlt werden. (rül)

Quelle: Drucksache 14/1456 vom 26.7.99, Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke und Fraktion.

*PS:* Vier Tage nach Eingang der obigen Anfrage meldete die britische Agentur Reuters ein neues deutsch-türkisches Waffengeschäft. Der Unterstaatssekretär im türkischen Verteidigungsministerium Yalcin Bucak und das deutsche Konsortium Abeking & Rasmussen und die Lürssen-Werft hätten in Ankara den Vertrag für die Lieferung von 6 Minensuchbooten unterzeichnet. Kaufpreis: 625 Millionen Dollar, das sind umgerechnet ca. 1,1 Milliarden DM. Das erste Schiff soll in den nächsten drei Jahren in der BRD gebaut werden, die übrigen dann in den folgenden fünf Jahren auf einer türkischen Werft in Istanbul.