Frankfurter Rundschau 28.8.1999 Berlin verdoppelt Erdbebenhilfe Türkische Organisationen distanzieren sich von Kritik Von Vera Gaserow Das deutsche Auswärtige Amt hat die humanitäre Soforthilfe für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei von fünf auf zehn Millionen Mark aufgestockt. Türkische Organisationen in Deutschland distanzierten sich von dem Vorwurf auch aus den eigenen Reihen, die bisherigen Finanzhilfe der Bundesregierung sei "unwürdig" niedrig. BERLIN, 27. August. Anfang der Woche hatten Vertreter türkischer Verbände und der CDU/CSU die Höhe der Soforthilfe und vor allem mangelnde moralische Unterstützung seitens der Bundesregierung bemängelt. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) lud daraufhin am Freitag Vertreter türkischer Organisationen zum Gespräch - mit dabei einer der lautesten Kritiker, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin. Keskin ist allerdings mittlerweile selbst in die Kritik geraten. Sein Stellvertreter im Gemeindevorstand, der Hamburger Reiseunternehmer Vural Öger, bezeichnete den Vorwurf mangelnder deutscher Hilfsbereitschaft als "Unverschämtheit" und legte unter Protest sein Mandat nieder. Gegenüber der Türkischen Gemeinde selbst begründete Öger seinen Rücktritt allerdings mit Zeitproblemen. Auch andere türkische Organisationen teilen die Kritik an der Bundesregierung nicht und gingen am Freitag in Berlin auf Distanz zur Türkischen Gemeinde. Deren Vorsitzender lobte nach dem Treffen mit Fischer zwar dessen "ehrliches Engagement" und prompte Gesprächsbereitschaft. Die Türkische Gemeinde habe auch nie "die fantastische Hilfsbereitschaft der Deutschen Bevölkerung kitisiert, erklärte Keskin. Die 2,3 Millionen Türken in Deutschland hätten jedoch "ein Wort der offiziellen Anteilnahme" erwartet. "Schröder oder Rau hätten die Sensibilität haben müssen, ihr Beileid auszudrücken" ". US-Präsident Clinton habe immerhin in zwei Fernsehansprachen seine Anteilnahme geäußert. Keskins Kritik und die Reaktionen darauf haben zwei Prozesse in Bewegung gebracht: In den türkischen Migrantenorganisationen ist eine Debatte über das eigene Selbstverständnis in Gang gekommen, und der Dialog mit der Politik wird verstärkt werden. Auf Anregung Fischers will das Außenministerium künftig zweimal im Jahr Treffen mit Vertretern der türkischen Organsiationen organisieren. Auch die Europäische Union will ihre Soforthilfe für die Erdbebenopfer aufstocken, wie Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye mitteilte. Vorgesehen seien zunächst zwischen 20 und 30 Millionen Euro (etwa 49 bis 58 Millionen Mark). Das ZDF-Fernsehen sammelte am Donnerstagabend in einer Galasendung mehr als 13 Millionen Mark Spenden.
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