Frankfurter Rundschau 30.8.1999 Ankara amnestiert Gefangene Gnadenakt beschert auch Rechtsextremisten wieder Freiheit Von Gerd Höhler ATHEN, 29. August. Das türkische Parlament hat am Samstag eine Amnestie beschlossen, die zehntausenden Häftlingen die Entlassung beschert. Politische Gefangene aber bleiben weiterhin in Haft, sofern sie nicht dem rechtsextremen Spektrum angehören. Die in der Regierungskoalition vertretene rechtsextremistische Partei der Nationalistischen Bewegung setzte die Aufnahme eines Artikels durch, der mehreren wegen politischer Morde an Linken verurteilten Rechtsextremisten die Freilassung ermöglicht. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wird auf Grund des Amnestie-Gesetzes 26 538 Strafgefangenen die verbleibende Haftzeit sofort zur Bewährung erlassen. Rund 32 000 weitere können in den nächsten Jahren mit vorzeitiger Entlassung rechnen. Die Amnestie gilt für Gefangene, die zu weniger als zwölfjährigen Haftstrafen verurteilt wurden oder minderjährig sind. Wenn sie innerhalb der nächsten drei Jahre wieder straffällig werden, müssen sie die ursprünglich verhängten Haftstrafen nachträglich in voller Länge absitzen. Die etwa 10 200 politischen Häftlinge aber bleiben hinter Gittern. Unter ihnen sind der frühere Vorsitzende der Menschenrechtsvereinigung IHD, Akin Birdal, und der blinde Bürgerrechtler Esber Yagmurdereli. Beide sitzen in Haft, weil sie zu einer friedlichen Lösung des Kurdenkonflikts aufgerufen hatten. Auch für Häftlinge, die wegen Hochverrats zum Tode verurteilt wurden, wie PKK-Chef Abdullah Öcalan, gilt die Amnestie nicht. Ausgenommen bleiben auch solche Häftlinge, die wegen Brandstiftung oder illegalen Bauens verurteilt wurden - ein heikles Thema nach der Erdbebenkatastrophe, bei der zehntausende mangelhaft errichteter Gebäude einstürzten. |