Süddeutsche Zeitung 30.8.1999 Türkei beschließt Amnestie Jeder dritte Häftling kommt frei - PKK-Kämpfer und Bauspekulanten von Gesetz ausgenommen Ankara (dpa) - Das türkische Parlament hat ein Amnestiegesetz verabschiedet. Mehr als 26 500 Häftlinge könnten innerhalb kurzer Zeit freigelassen werden, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. Das Gesetz ist vor allem für Häftlinge vorgesehen, die zu Strafen von weniger als zwölf Jahren verurteilt worden sind. Nach Angaben von Justizminister Hikmet Sami Türk sitzen 70 000 Verhaftete und Verurteilte im Gefängnis. Das Gesetz diene der Wiedereingliederung der Amnestierten in die Gesellschaft. Die Amnestie gilt den Angaben zufolge für bestimmte Taten, die vor dem 23. April dieses Jahres begangen worden sind. Ausgenommen sind wegen Terrorismus oder Hochverrats Verurteilte wie der Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan. Derzeit säßen 10 201 Häftlinge wegen Terror-Vorwürfen in den Gefängnissen, sagte der Justizminister. In den nächsten Jahren sollten bis zu 32 000 weitere Häftlinge vorzeitig freigelassen werden. Ausgeschlossen von der Amnestie sind auch Brandstifter, Vergewaltiger und Verurteilte, die wegen schlechter oder illegaler Bauten bestraft worden sind. Bei dem schweren Erdbeben in der West-Türkei sind auch wegen Konstruktionsmängeln vieler Häuser Tausende von Menschen getötet worden. Das Parlament erteilte der Regierung am Freitagabend erweiterte Befugnisse im Zusammenhang mit dem Erdbeben. Die Regierung von Premier Bülent Ecevit darf nun ohne Zustimmung der Abgeordneten Maßnahmen zur Schadensbehebung ergreifen. Spanien forderte die Europäische Union auf, die Türkei offiziell als Beitrittskandidaten anzuerkennen. Damit würden Mittel frei, die das Land nach dem Beben dringend benötige, begründete ein Regierungsvertreter in Madrid den Vorschlag. |