Aachener Zeitung, 31.8.1999 «Friedenspreisträger setzen Außenpolitik als Friedenspolitik um» Aachen. Gerade ist das Thema Kosovo aus dem Brennpunkt der öffentlichen Debatten verschwunden, da lenkt der Verein Aachener Friedenspreis den Blick in andere Regionen mit nicht minder explosiven sozialen und politischen Problemen. Morgen werden das Netzwerk Wanderkirchenasyl und die Internationalen Friedensbrigaden mit der Auszeichnung geehrt, die längst weit über die Grenzen der Region hinaus für großes Interesse sorgt. Über die Preisträger und die aktuelle Situation des Vereins Aachener Friedenspreis sprach AZ-Redakteur Matthias Hinrichs mit dessen Vorsitzendem Gerhard Diefenbach. Das Jahr 1999 stand und steht im Zeichen des Kosovo-Kriegs. Hat sich der Verein an dieses Thema nicht herangetraut? Diefenbach: Natürlich haben wir uns mit diesem Thema intensiv befasst. Ich räume ein, dass wir immer noch gehofft hatten, dass es nicht zu einem militärischen Einsatz der NATO unter Beteiligung der Bundesrepublik kommt. Als wir am 26. März die entscheidende Mitgliederversammlung zur Bestimmung der Preisträger hatten, war der Krieg seit zwei Tagen im Gange. Ich denke allerdings, dass wir mit der Wahl der Internationalen Friedensbrigaden und des Netzwerks Wanderkirchenasyl - im indirekten Zusammenhang zum Kosovo - einmal mehr deutlich machen, wie Konflikte mit gewaltfreien Mitteln gelöst werden können. Beide Initiativen haben gezeigt, wie man die offizielle Maxime der deutschen Außenpolitik - «Außenpolitik muss Friedenspolitik sein» - an der Basis umsetzen kann. Wir wollen uns aber auch an der politischen Diskussion beteiligen, die Alternativen zu Krieg und Gewalt entwickelt. Sind Sie zufrieden mit der Resonanz auf die laufende Aktionswoche? Diefenbach: Über die rege Teilnahme an der Eröffnungsaktion auf dem Münsterplatz haben wir uns sehr gefreut. Auch der türkische Film «Reise zur Sonne», der sich kritisch mit dem Schicksal der Kurden auseinandersetzt und derzeit im Atlantis zu sehen ist, hat viel Interesse auf sich gezogen. Beim täglichen Friedensgebet auf dem Münsterplatz zeigt sich, dass viele Bürger zwar interessiert stehen bleiben, aber sich meist nur ohnehin in den Pfarren engagierte Menschen aktiv daran beteiligen. Die Friedensbrigaden sind derzeit schwerpunktmäßig in Kolumbien aktiv. War die Partner-Beziehung des Bistums Aachen zu dem lateinamerikanischen Staat hilfreich bei der Wahl des internationalen Preisträgers 99? Diefenbach: Direkte Unterstützung haben wir nicht erfahren. Allerdings waren die PBI (Peace Brigades International) ohnedies bereits zwei Mal weit vorn in unserer Vorschlagsliste, weil diese Organisation durch die zivile Begleitung kritischer und gefährdeter Persönlichkeiten in aller Welt wichtige Arbeit leistet und die Erfahrung gezeigt hat, dass die Idee, exponierte Kritiker durch Begleitung von sieben «Brigadisten» vor etwaigen Attentätern zu schützen, durchaus erfolgreich ist. Und dies nicht nur in Kolumbien, sondern in zahlreichen anderen Ländern wie etwa Mexiko, Haiti oder den Philippinen. Um den Verein Aachener Friedenspreis scheint es ruhiger geworden zu sein. Seit seiner Gründung vor elf Jahren gab es auch interne Konflikte über die politische Ausrichtung. Hat der Verein noch hinreichend «produktive Unruhe»? Diefenbach: Natürlich gibt es unter den knapp 300 Mitgliedern alljährlich lebhafte Diskussionen über die Auswahl der Preisträger. Vor ein paar Jahren stand eine Zeitlang die Debatte über die Rolle des Friedenspreises in Abgrenzung zum Karlspreis im Vordergrund, der ja meist an politisch oder wirtschaftlich sehr einflussreiche Personen verliehen wird. Diese Diskussion ist aus meiner Sicht beendet. Wir verstehen uns längst als eigenständige Institution mit entsprechender Resonanz in der Öffentlichkeit. Dass wir in diesem Jahr explizit Position gegen den Karlspreisträger Tony Blair bezogen haben, lag an dessen vehementer Befürwortung des Kriegseinsatzes auf dem Balkan. Wir diskutieren alljährlich 15 bis 20 Vorschläge für Friedenspreiskandidaten - da gibt es sicher genügend konstruktives Konfliktpotential. In einem Punkt sind wir uns allerdings stets einig: Die Preisträger sollen sich «von unten her» mit besonderen Initiativen und Aktionen für Völkerverständigung und ein friedliches Miteinander der Menschen einsetzen. Ich denke, in diesem Sinne befinden wir uns auf dem richtigen Weg. |