Salzburger Nachrichten 2.10.1999 Friedensschwüre aus der Gefängniszelle Öcalan-Anwalt erwartet Bestätigung des Urteils. PKK-Kämpfer als "Friedensdelegation" WIEN (SN-schli). Am Donnerstag wird das Kassationsgericht das Todesurteil über PKK-Führer Abdullah Öcalan bestätigen und keine Wiederaufnahme zulassen. Dies erwartet Ahmet Avsar, einer der Anwälte Öcalans. Avsar hat Öcalan vergangene Woche auf der Gefängnisinsel Imrali besucht. Die SN trafen Avsar in Wien. Einer - nicht zuletzt wegen der EU-Annäherung der Türkei derzeit nicht erwarteten - Vollstreckung des Todesurteils müsste das türkische Parlament zustimmen. Öcalan war vor Gericht für eine politische Lösung des Kurdenproblems und einen Friedensschluss eingetreten. Der offensichtliche Wandel Öcalans in der Haft vom militanten Kämpfer zum Friedensboten hat für Avsar nichts mit einem "Deal" zu tun, in dem Öcalans Leben mit einem Rückzug und dem Gewaltverzicht der PKK abgetauscht werden könnte. Avsar hat Öcalan in den letzten Monaten 25 Mal getroffen und hat, wie er sagt, nicht den Eindruck gehabt, dass er unter Druck gesetzt werde oder um sein Leben fürchte. Die PKK hat sich, Öcalans Aufruf folgend, vom bewaffneten Kampf distanziert. In dem 15 Jahre währenden Konflikt um einen Kurdenstaat im Südosten der Türkei wurden 30.000 Menschen getötet. "Tapfer sterben" habe aber keine Lösungen gebracht. Ergebnisse wolle man jetzt auf politischem Weg erreichen. Friedensangebote Öcalans seien nicht neu, er habe sie seit 1993 gemacht, erklärt Avsar. In den 80er Jahren sei der bewaffnete Kampf nötig gewesen. Seit 1995 habe es laut Öcalan "Überreaktionen" von beiden Seiten im Krieg gegeben. Die Friedensinitiative sei "kein Zeichen von Schwäche". Öcalan habe den Frieden bedingungslos als Schritt in Richtung Demokratie und Menschenrechte angeboten und keine "Deals" gemacht. Langfristig hoffen die Kurden, dass das von den Türken installierte "Dorfschützer"-System aufgehoben werde, die Spezialeinheiten abzögen und dass eine Friedenskonferenz einberufen werden könne. Laut Avsar gebe es in der PKK auch keine Flügel, die sich - wie in türkischen Medien kolportiert - nicht mit den Friedensbestrebungen Öcalans abfinden wollten. Zwei Drittel der Kämpfer hätten sich im letzten Monat aus der Türkei zurückgezogen, großteils in den Nordirak, aber auch in kaukasische Gebiete. Dass sich nicht alle Kämpfer zurückgezogen hätten, liege vor allem an türkischen Militärs, die erst vor wenigen Tagen in einer Offensive gegen die PKK in den Nordirak eingedrungen seien. Dies zeige, dass gewisse Kräfte auf türkischer Seite die Friedensinitiativen verhindern wollten. Öcalan habe eine Gruppe von PKK-Kämpfern aufgefordert, in die Türkei zu kommen und sich zu stellen. Diese hat sich am Freitag der türkischen Armee in Semdinli an der türkischen Grenze zu Iran und Irak ergeben. Neun Mitglieder des bewaffneten Arms der PKK betraten türkisches Gebiet und wurden festgenommen. Die Delegation wolle Öcalans Friedensinitiative unterstützen und werde der türkischen Regierung Schreiben übergeben, die besagten, dass die PKK weiter politische Schritte für den Frieden tun werde.
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