Tagesspiegel, 6.10.1999 Rückendeckung für Ankara Schröder und Simitis plädieren für EU-Beitritt der Türkei Gerd Höhler Die Regierungen in Berlin und Athen wollen gemeinsam nach Wegen suchen, die Türkei in die Reihe der EU-Beitrittskandidaten aufzunehmen. "Wir wollen ernsthafte Anstrengungen machen, dass es gelingt", sagte Schröder nach einem Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis. Er hoffe, dass es beim EU-Gipfel in Helsinki im Dezember möglich sein werde, eine "positive Antwort" auf den EU-Beitrittswunsch der Türkei zu geben, meinte Schröder. Die Regierungschefs mahnten als Bedingung dafür Verbesserungen bei den Menschenrechten an. Welche weiteren Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, wollte der Kanzler aber nicht erläutern. "Hier geht es um außerordentlich komplizierte Probleme", sagte Schröder; es mache deshalb "wenig Sinn, sich über die einzelnen Schritte öffentlich zu verbreiten". In einer Festansprache zum 75-jährigen Bestehen der deutsch-griechischen Industrie- und Handelskammer betonte Schröder allerdings am Abend, die EU sei eine Wertegemeinschaft, für die Demokratie und Menschenrechte von herausragender Bedeutung seien. "Nur auf der Grundlage dieser Prinzipien können wir neue Mitglieder aufnehmen, das muss klar sein", sagte Schröder. Schröder lobte die Bemühungen Griechenlands zur Erfüllung der Kriterien für den Eintritt in die Währungsunion. Er sei sicher, dass Griechenland die baldige Mitgliedschaft in der Währungsunion schaffe. Auch der griechische Premier Simitis betonte, die Türkei müsse "bestimmte Schritte" tun, damit es in Helsinki eine "positive Entscheidung" geben könne. Für einen türkische EU-Beitritt sprach sich ebenfalls am Montag der griechische Außenminister Jorgos Papandreou aus. In einer Rede zum Beginn des akademischen Jahres an der Universität Istanbul sagte Papandreou: "Wir wollen die Türkei in der EU; wir wollen, dass sie alle Rechte und Verpflichtungen mit uns teilt, und wir wollen das jetzt". Im Verhältnis der beiden seit Jahrzehnten zerstrittenen Länder sei es nun an der Zeit, "das Unmögliche zu wagen". Unter dem Eindruck der Erdbebenkatastrophen, von denen beide Länder kürzlich heimgesucht wurden, hätten die Völker den Politikern eine "starke, demokratische Botschaft übermittelt: Arbeitet für Kooperation, für unsere gemeinsamen Interessen und für den Frieden." |