Tagesspiegel, 6.10.1999 Erneut Erdbeben in der Türkei 100 Verletzte in der Region Marmaris - die Touristen reagierten schockiert bis kaltblütig Susanne Güsten Ralf Rippelmeyer hat die Nase voll. Als der 52-jährige Polizist aus Dortmund in der Nacht zum Dienstag im südtürkischen Marmaris von einem starken Erdstoß geweckt wurde, bekam er es mit der Angst zu tun. "Für einen Erdbeben-Amateur wie mich war das schon ziemlich heftig", erzählt er am Morgen danach. "Wir wurden ganz schön durcheinander geschaukelt." Nun will Rippelmeyer nach Hause, und zwar so schnell wie möglich. Dabei hatte er sich zusammen mit seiner Frau für ihren achten Türkei-Urlaub eigens ein schönes Zimmer im vierten Stock des "Aqua-Hotels" in Marmaris ausgesucht, um einen schönen Blick aufs Meer zu haben. Doch das Beben zerstörte die Urlaubsstimmung gründlich. So wie den Rippelmeyers ging es am Dienstag vielen deutschen Urlaubern in der Region Marmaris. Rund 10 000 Touristen aus der Bundesrepublik halten sich derzeit in der Gegend auf, und viele von ihnen entschlossen sich nach dem Beben zur vorzeitigen Heimreise. Der Erdstoß mit der Stärke 5,2 erschütterte den ganzen Südwesten der Türkei gegen drei Uhr 53 Uhr Ortszeit. Auch auf Rhodos und anderen griechischen Ägäisinseln war das Beben zu spüren. Mehr als 40 Nachbeben wurden bis zum Nachmittag gezählt. Nach Angaben der Behörden gab es über 100 Verletzte - vor allem Menschen, die vor Angst aus dem Fenster oder vom Balkon sprangen und sich die Beine brachen. Deutsche Touristen waren nach Informationen deutscher Diplomaten nicht darunter. Manche Urlauber reagierten auch völlig gelassen auf das Beben. "Es gab ein bisschen Panik, es war aber nicht dramatisch", berichtet ein Hamburger Tourist aus einem anderen Hotel in Marmaris. In Minutenschnelle liefen nach dem Beben alle Gäste an den Strand und verbrachten dort die Nacht. "Einige weinten, einige tranken Bier." Am Morgen erhielt der Hamburger einen Anruf von seiner erschreckten Ehefrau. "Sie wollte, dass ich sofort nach Hause komme", sagt der Urlauber, der seinen Namen nicht nennen will. "Aber ich bleibe hier. Es ist jetzt fast so, als wäre nie etwas geschehen." |