Yahoo, 7. Oktober 1999, 18:53 Uhr Öcalan-Anwälte hoffen auf Strafmilderung von: bek/gwa Berlin, 07. Okt - Die Verschiebung des Berufungsverfahrens im Fall des zum Tode verurteilten türkischen PKK-Anführers Abdullah Öcalan hat bei dessen Anwälten die Hoffnung auf eine Strafmilderung geweckt. Ein Anwalt Öcalans erklärte am Donnerstag in Berlin, die Vertagung lasse darauf schließen, dass die Todes- in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt werde. Das Gericht hatte zuvor in Ankara erklärt, das Verfahren werde erst am 21. Oktober eröffnet, um der Verteidigung mehr Zeit zur Vorbereitung einzuräumen. Der Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) war im Juni wegen seiner Führungsrolle im 15-jährigen Kampf der Kurden für einen eigenen Staat zum Tode durch den Strang verurteilt worden. "Wir hoffen (auf Strafmilderung), aber wir müssen abwarten", sagte Ahmet Avsar, einer der Anwälte Öcalans auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die Verschiebung der Berufungsverhandlung sei Ausdruck einer sich abzeichnenden Politik der Deeskalation zwischen beiden Seiten. Allerdings hätte das Gericht der Verteidigung auch 40 Tage Vorbereitungszeit einräumen können, sagte Avsar. Die gewährten zwei Wochen seien in diesen Zusammenhang nur eine sehr begrenzte Zeitspanne. Nach türkischem Recht kann das Berufungsgericht das Todesurteil bestätigen. Falls es jedoch Verfahrens- oder substanzielle Fehler feststellt, kann das Gericht die Vorinstanz anweisen, den Fall neu zu verhandeln. Sollte das Urteil dann dennoch Bestand haben, muss das türkische Parlament entscheiden, ob die Todesstrafe vollstreckt wird. Das letzte Wort hat schließlich der türkische Präsident. Die Anwälte Öcalans können zudem mit einer Eingabe beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte versuchen, die Vollstreckung der Todesstrafe zu verhindern. Die Exekution Öcalans würde der Europäischen Menschenrechtscharta zuwiderlaufen, die auch die Türkei unterzeichnet hat. Mängel in der Menschenrechtsbilanz der Türkei standen in der Vergangenheit dem angestrebten EU-Beitritt der Türkei immer wieder im Weg. Die türkische Justiz hat den 51-jährigen Rebellenchef des bewaffneten Aufstandes mit rund 30.000 Toten für schuldig befunden. Öcalan hatte die PKK 1978 gegründet und den Kampf für einen unabhängigen Staat der Kurden in Südostanatolien 1984 aufgenommen. Öcalan hatte aus seiner Gefängniszelle auf der Insel Imrali im Marmara-Meer jedoch mehrfach seinen Kämpfern Anweisung gegeben, den bewaffneten Kampf aufzugeben. Zudem sollten sie die Türkei verlassen. Eine Friedensdelegation der PKK war daraufhin Anfang des Monats auf Geheiß Öcalans vom Irak in die Türkei gereist, um sich zu ergeben. Die Abordnung wurde danach von den türkischen Sicherheitskräften festgenommen. Das türkische Militär besteht indes darauf, dass die PKK vollständig kapituliert und hat Verhandlungen mit der Organisation strikt abgelehnt. |