Berliner Zeitung, 8.10.1999 Ein trotziger Bülent Ecevit Martina Doering Trotz ist eine Reaktion vornehmlich von Kindern, die nicht bekommen, was sie erhoffen. Ein solches Verhalten ist nicht schön, aber verzeihlich. Wenn allerdings Politiker so reagieren, wirkt das befremdlich. Bülent Ecevit hatte solche Bedenken nicht, als er gegen die neuerliche Zurückweisung seines Landes durch die Europa-Parlamentarier loswetterte: Um der EU angehören zu dürfen, gehe Ankara keine Kompromisse in der Kurdenfrage ein. Dafür werde die Türkei ihre Einheit nicht gefährden. "Die volle Mitgliedschaft", so sagte Ecevit weiter, "ist unser Recht." Über die Pflichten zu reden, überließ er den Europa-Parlamentariern. Sie aber fanden, dass die Türkei zu wenig oder nichts getan hat, um ihnen nachzukommen: Die Menschenrechte werden nicht respektiert, insbesondere die Kurden unterdrückt und verfolgt. In der Zypern-Frage wird keine Bereitschaft zum Verhandeln gezeigt, die Todesstrafe ist weiter in Kraft. Für Ankara war der Beschluss in Strassburg, wie Ecevits Reaktion offenbarte, ein Schock. Die Türkei hatte lange nicht eine solche Hilfe und vorbehaltlose Unterstützung aus Europa erfahren wie in den Wochen nach dem schweren Beben. Nie hatte sich die Türkei dem europäischen Kontinent so nahe gefühlt. Aber Ecevit und seine Regierung sind einem Trugschluss aufgesessen: Die Solidarität galt den Opfern, nicht der Regierung und ihrer Politik. |