Süddeutsche Zeitung, 15.10.99 Sitzung des Bundessicherheitsrats verschoben Regierung verzögert Beschluss über Panzer-Export in Türkei Ministerien über den Verkauf von tausend "Leopard 2" zerstritten / Absage Ankaras wird wahrscheinlicher Von Stefan Kornelius Berlin - Die Bundesregierung hat die Entscheidung über den Export von Panzern in die Türkei verzögert und damit einen Rückzug Ankaras aus dem Geschäft wahrscheinlich gemacht. Die für Donnerstag geplante Entscheidung über den Export im zuständigen Gremium, dem Bundessicherheitsrat, kam nicht zustande. Die beteiligten Ressorts der Bundesregierung sind uneins darüber, ob sie dem Geschäft zustimmen sollen. Terminzwänge machten es dem türkischen Militär nun immer schwerer, auf eine deutsche Entscheidung zu warten, hieß es auch in der Bundesregierung. Wie verlautete, hat Außenminister Joschka Fischer auf eine Verlegung der Sitzung gedrängt, weil er wegen einer Reise nicht teilnehmen konnte. Tatsächlich sind die zuständigen Ressorts über die Exportgenehmigung zerstritten. Der Konflikt könnte nur durch ein Machtwort von Bundeskanzler Gerhard Schröder gelöst werden. Ankara hatte geplant, 1000 Leopard 2 zum Preis von insgesamt 14 Milliarden Mark in Lizenz-Produktion von der Firma Krauss-Maffei-Wegmann zu erwerben. Der Bundessicherheitsrat entscheidet über den Export sensibler Rüstungsgüter. Ihm gehören als stimmberechtigte Mitglieder neben dem Bundeskanzler der Außenminister, der Verteidigungsminister, der Wirtschaftsminister und die Entwicklungshilfeministerin an. Das Gremium tagt geheim. In allen beteiligten Ressorts wollte kein Sprecher öffentlich den Vorgang kommentieren. Die Anfrage der Türkei nach den Panzern liegt bereits seit Monaten vor. Der Bundessicherheitsrat sollte am Donnerstag über den ersten Schritt zu einem Verkauf entscheiden und die Lieferung eines Panzers für Testzwecke billigen. Fischer gilt als Gegner des Rüstungsprojekts. Bei einer Exportbewilligung hätte er mit großem Widerstand aus seiner Partei zu rechnen. Gegen Waffenexporte hat sich regelmäßig auch Entwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul (SPD) ausgesprochen. Als Befürworter gelten Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos). Bundeskanzler Gerhard Schröder hat offenbar noch keine Position bezogen. Der Kanzler will in der Frage vermutlich keine Entscheidung zwischen den zerstrittenen Ressorts herbeiführen. Außerdem muss er innerparteilichen Streit befürchten, sollte seine Stimme den Ausschlag für den Verkauf geben. Die Verschiebung der Entscheidung wird deshalb auch in seinem Interesse gelegen haben. Ob eine Entscheidung noch in der kommenden Woche fällt, ist unklar. Die Mitglieder des Bundessicherheitsrats könnten sich zwar am Rande einer Kabinettssitzung verabreden. Allerdings handele es sich um ein Thema von grundsätzlicher Bedeutung, das man nicht nebenbei abhandeln könne, hieß es. Beobachter spekulieren nun, dass die Bundesregierung durch die Verzögerung auf eine Umorientierung der Türkei hofft. Ankara könnte auf ein deutsches Angebot verzichten und die Bundesregierung damit vom unmittelbaren Entscheidungszwang entbinden. Die Türkei will bis Ende November einen Testpanzer aus Deutschland erhalten. Bereits im Oktober sollten Panzerfahrer in den jeweiligen Rüstungsfirmen ausgebildet werden.
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