Kölner Stadt-Anzeiger, 15.10., Hintergrund Streit um Panzergeschäft mit Ankara Vor schwieriger Entscheidung im Bundessicherheitsrat Von Horst Willi Schors und Joachim Frank Der Rüstungskonzern Krauss-Maffei will 1000 Panzer an die Türkei verkaufen, ist jetzt aber unter politisches Sperrfeuer geraten. "Wir sind kompromisslos gegen die Lieferung", sagte Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Beer erinnerte an die rot-grüne Koalitionsvereinbarung, wonach sich die Regierung für Abrüstung und die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen will. Kritische Stimmen gibt es auch aus dem SPD-Lager. Entscheiden muss nun der stets geheim tagende "Bundessicherheitsrat", in dem der Bundeskanzler den Vorsitz führt und die Minister für Auswärtiges, Verteidigung und Wirtschaft sowie neuerdings die Ressortchefin Entwicklungshilfe Sitz und Stimme haben. Er tritt zusammen, wenn es um die Ausfuhr von Kriegswaffen in Krisenregionen geht. Dabei geht es aber nicht nur um Kriegsgerät, sondern auch um Konstruktionspläne und Know How. Der Ausschuss war früher mit dem Aufbau der Bundeswehr befasst. Unstrittige Fragen, wie etwa die Lieferung deutscher Maschinenpistolen ins befreundete Frankreich, entscheidet das Wirtschaftsministerium in eigener Regie. Um den notwendigen Papierkram kümmert sich das "Bundesausfuhramt" in Eschborn. Das Zollkriminalamt in Köln wacht über die korrekte Abwicklung der Geschäfte. Mit dem Einzug des Entwicklungshilfeminsteriums aber sind die Geschäfte komplizierter geworden. Jeder Export wird nun auch unter entwicklungspolitischer Perspektive untersucht: Stehen die Waffenwünsche in vernünftigem Verhältnis zu Ausgaben für Bildung oder Armutsbekämpfung? Auch unter diesem Aspekt, ganz abgesehen von den Menschenrechten, wird das Waffengeschäft mit der Türkei in der Regierung kritisch betrachtet: "Die leben nicht so in Saus und Braus, dass sie sich teure Leos leisten könnten." Das Thema ist auf jeden Fall ein so heißes Eisen, dass es die Sprecher der Behörden gern weiterreichen. "Das ist sicherheitspolitisch hoch sensitiv", heißt es etwa aus dem Verteidigungsministerium. "In solchen Fragen gab es früher immer eine Abwägung zwischen wirtschaftlichen und allgemein politischen Interessen", berichtet ein ehemaliger Teilnehmer des exklusiven Zirkels. Doch seit dieser Legislaturperiode ist mit der streitbaren Entwicklungshilfeminsterin Heidemarie Wieczorek-Zeul eine traditionelle Kritikerin leichtfertiger Waffengeschäfte zu der Runde gestoßen. Als sie vor Jahresfrist zum ersten Mal teilnehmen durfte, sprach sie sich für eine restriktive Genehmigungspraxis bei Rüstungsexporten aus und sagte: "Bei allem, was mit Waffenlieferungen zu tun hat, muss man höchst wachsam sein." Vor allen Dingen dürfe man Waffen nicht dort hin liefern, wo die Menschenrechte missachtet würden. In einer besonderen Klemme steckt Außenminister Joschka Fischer, der noch im Frühjahr erklärt hatte, dass die rot-grüne Bundesregierung keine Schützenpanzer an die Türkei liefern werde. Darauf will seine grüne Basis ihn nun festnageln. Nun hat aber Fischer den Nato-Partner Türkei soeben zum Kandidaten-Status für die Europäische Union verholfen und kann die Türken nicht so ohne weiteres an den Pranger stellen. Die Befürworter einer Exportgenehmigung pochen auf die wirtschaftlichen Effekte. Der Auftrag sei 14 Milliarden schwer und sichere 6000 Arbeitsplätze. Um ins Geschäft zu kommen, müsste die Firma aber zunächst einen Panzer probehalber in die Türkei schicken und sich einer internationalen Ausschreibung stellen. Die Genehmigung durch den Bundessicherheitsrat lässt auf sich warten. Ursprünglich sollte das Gremium heute tagen. Doch Außenminister Fischer ging auf Dienstreise. Das schafft neue Bedenkzeit. KStA
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