ap, 15.10.1999, 17:57 Schröder setzt sich für Türkei als EU-Kandidat ein Beratungen beim Dinner der EU-Regierungschefs in Tampere - Entscheidung im Dezember Tampere (AP) - Bundeskanzler Gerhard Schröder will sich bei seinen Kollegen persönlich für eine Anerkennung der Türkei als offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union einsetzen. Dies kündigte Schröders außenpolitischer Berater Michael Steiner beim EU-Gipfel in Tampere am Freitag an. Der britische Premierminister Tony Blair erklärte seine Unterstützung. «Es wird eine Einigung in Helsinki geben, dass die Türkei künftig als Kandidat behandelt wird», sagte Blair. Über das Prozedere der Erweiterung wollten die EU-Staats- und Regierungschefs beim Abendessen sprechen, nachdem die EU-Kommission am Mittwoch die Aufnahme von Verhandlungen mit weiteren sechs Bewerbern empfohlen hatte und auch die Türkei in den Kreis der anerkannten Aspiranten integrieren will. Die Entscheidung darüber soll beim nächsten EU-Gipfel im Dezember in Helsinki fallen. Derzeit verhandelt die EU mit Ungarn, Polen, Tschechien, Estland, Slowenien und Zypern über deren Beitritt. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hält die Aufnahme erster Neumitglieder aus dieser Gruppe ab 2003 für machbar. Schröder will lediglich zusagen, dass die EU selbst bis 2003 ihre vorbereitenden institutionellen Reformen abgeschlossen haben wird. Wann die Neumitglieder tatsächlich dazustoßen, soll von ihrem Stand der Vorbereitungen abhängig gemacht werden. Konkrete Verhandlungen sollen nach dem Willen der EU-Kommission im Dezember auch mit den sechs weniger fortgeschrittenen Staaten Litauen, Lettland, Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Malta aufgenommen werden. Steiner sagte, Schröder habe bereits mehrfach erklärt, dass er dieses Ansinnen unterstütze. Für eine Integration der Türkei in den Bewerberkreis hat sich bislang besonders Bundesaußenminister Joschka Fischer stark gemacht. Fischer mahnte beim EU-Sondergipfel: «In Helsinki müssen wir Nägel mit Köpfen machen.» Eine Anerkennung der Türkei als Beitrittskandidat ist leichter geworden, seit Griechenland seinen Widerstand dagegen aufgegeben hat. Beide Staaten hatten sich nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei im August angenähert. Nunmehr leistet vor allem Schweden Widerstand gegen eine Anerkennung wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. In Regierungskreisen wurde betont, dass die Zuerkennung des Kandidatenstatus für die Türkei nicht gleichbedeutend sei mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Bevor die EU Verhandlungen anbieten könne, müsse Ankara die Beitrittskriterien erfüllen. Dazu gehören die Achtung der Menschenrechte, Respektierung von Minderheiten, die Beilegung von Nachbarschaftskonflikten und eine weitere Demokratisierung. Aus diesen Gründen war die Türkei 1997 aus dem Erweiterungsprozess ausgeschlossen worden.
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