Frankfurter Rundschau, 16.10.99 Ilisu staut Zukunftsprobleme Berlin entscheidet über Hermeskredite für türkischen Damm wal FRANKFURT A. M. Der Bau des umstrittenen Ilisu-Staudamms im Südosten der Türkei beschäftigt die Bundesregierung. "In absehbarer Zeit" muss ein interministerieller Ausschuss über Hermesbürgschaften entscheiden, mit denen deutsche Unternehmen ihre Lieferungen dafür sichern wollen. Ein entsprechender Antrag der Ravensburger Firma Sulzer Hydro, einer Tochter des Schweizer Sulzer Konzerns, liegt den Experten aus Auswärtigem Amt, Wirtschafts-, Finanz- und Entwicklungsministerium vor. Der Ilisu-Damm ist ein Teil des gigantischen Südostanatolien-Projekts (GAP), das Dutzende von Staumauern an den Flüssen Euphrat und Tigris umfasst. Mit ihrer Hilfe will die Regierung in Ankara die Region bewässern und die Energiegewinnung verbessern. Allein für Ilisu sind Kosten von mehr als 1,5 Milliarden Dollar angesetzt. "Ohne eine reguläre Ausschreibung", wie die Bonner Entwicklungsorganisation Weed kritisiert, erhielt ein schweizerisch-schwedisches Konsortium unter Führung von Sulzer und ABB den Bauvertrag. Dem Verbund gehören Unternehmen aus allen großen Industriestaaten an. Der vorgesehene deutsche Lieferanteil beträgt fünf Prozent. Angesichts der internationalen Firmenbeteiligung heben Experten im Berliner Wirtschaftsministerium die intensive grenzüberschreitende Abstimmung bei der Entscheidung über die Exportbürgschaften hervor. Sie habe "Modellcharakter": Mit Ausnahme der Schweiz, die Risikogarantien für heimische Unternehmen von 400 Millionen Franken (492 Millionen Mark) genehmigt hat, suchten die anderen Staaten eine gemeinsame Strategie. Das ist nicht einfach, denn "da sind Probleme drin, die weit in die Zukunft reichen", heißt es im Hause von Minister Werner Müller. Weed verdeutlicht, dass die Staustufen des Südostanatolien-Projekts für die Türkei "ein wichtiges machtpolitisches Instrument gegenüber den arabischen Nachbarstaaten und der kurdischen Bevölkerung" im eigenen Land darstellen. Wegen möglicher außenpolitischer Konflikte habe die Weltbank eine Beteiligung vor 15 Jahren abgelehnt. Syrien und der Irak protestieren gegen Ilisu, weil beide Staaten befürchten, dass Ankara mit dem Damm ihren Wasserzufluss zum Versiegen bringen könne. Die entsprechende Konvention der Vereinten Nationen, die dies verhindern soll, hat die türkische Regierung nämlich nicht unterzeichnet. Vor allem die Regierung in Damaskus weist auf die großen, durch Trockenheit verursachten Problemen hin, mit denen sie bereits jetzt zu kämpfen habe. Die Kritiker von Weed ergänzen, dass der Ilisu-Stausee 52 Dörfer und 15 Kleinstädte überschwemmen wird, darunter die einzige vollständig erhaltene mittelalterliche Stadt in Anatolien. Wieviele Menschen umgesiedelt werden müssten, und wie sie entschädigt würden, wisse die Öffentlichkeit immer noch nicht. Außerdem sei nicht zu erwarten, dass die kurdische Bevölkerung angemessen an den Planungen und Entscheidungen beteiligt werde. Bereits bei den Projektvorbereitungen habe die Türkei in 18 Fällen gegen die Richtlinien der Weltbank für solche Vorhaben verstoßen. Diese Punkte "müssen vernünftig gelöst werden", heißt es im Wirtschaftsministerium dazu. Deshalb werde die Vergabe von Hermes-Bürgschaften mit Auflagen verbunden. Und man genehmige sie nur, wenn auch die beteiligten anderen Regierungen einverstanden wären.
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