jw, 20.10.99 Prozeßwelle gegen Kurden in Frankfurt am Main 248 Straf- und Ermittlungsverfahren eingeleitet. Massenabschiebungen befürchtet Vor dem Frankfurter Landgericht hat jetzt die juristische Abrechnung mit jenen Kurden begonnen, die anläßlich der Festnahme von PKK-Chef Abdullah Öcalan im Februar diesen Jahres an Protestaktionen teilgenommen hatten. Seit Montag muß sich als erster Angeklagter ein 35 Jahre alter Kurde wegen der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Frankfurt am Main am 16. Februar verantworten. Außer 13 bereits vorliegenden Anklagen sind weitere 235 Ermittlungsverfahren gegen die Besetzer des griechischen Konsulats und eines kenianischen Reisebüros anhängig. Aus Protest gegen das Kidnapping des Kurdenführers Öcalan im Februar 1999 aus der griechischen Botschaft in Kenia durch den türkischen Geheimdienst waren seinerzeit Tausende Kurden auf die Straße gegangen und hatten in vielen Städten der Bundesrepublik Konsulate und Botschaften besetzt. Im Visier der empörten Kurden waren dabei in erster Linie Einrichtungen der Staaten Kenia, Griechenland und Israel, deren Behörden Mittäterschaft bei der Entführung und Auslieferung Öcalans an seine türkischen Häscher vorgeworfen wurde. Den Angeklagten wird Hausfriedensbruch, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen. Zeitgleich mit der Anklage gegen die Kurden hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft auch Anklage gegen türkische Oppositionelle erhoben. So haben sich ab Dezember vor der Staatsschutzkammer des Landgerichtes zwei Türken im Alter von 23 und 25 Jahren wegen des Vorwurfs der »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« zu verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft den beiden Männern vor, Mitglied der türkischen Untergrundbewegung »Dev Sol« zu sein. Während die Frankfurter Staatsanwaltschaft Massenprozesse gegen Kurden und türkische Oppositionelle vorbereitet, plant das Frankfurter Verwaltungsgericht eine großangelegte Abschiebung von Kurden in die Türkei. Mit einem dringenden Appell haben sich jetzt die »Diakonische Flüchtlingshilfe« und das »Hanauer Solidaritätsbündnis gegen Abschiebung« an die Öffentlichkeit gewandt. Bei der Flüchtlingshilfe befürchtet man, daß die Abschiebung von mehr als 70 Kurden und Kurdinnen aus dem Raum Hanau kurz bevorsteht. In dem Aufruf heißt es: »In der Panik vor Abschiebung und aufgrund von Re-Traumatisierung infolge erlittener Folter sind einige - vor allem Frauen - mittlerweile in psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung. Derzeit sind viele der Betroffenen lediglich durch noch anhängige Petitionen beim hessischen Landtag vorläufig geschützt.« Um ein Bleiberecht für die von Abschiebung bedrohten Kurden zu erreichen, ruft die »Diakonische Flüchtlingshilfe« für den 22. Oktober um 10 Uhr zu einer Protestkundgebung vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht auf. Till Meyer |